Tokio und Berlin – Zwei Metropolen im Vergleich
Seit drei Jahrzehnten verbindet Berlin und Tokio eine Städtepartnerschaft. Höchste Zeit, sich die beiden Städte einmal genauer anzusehen.
Tokio und Berlin – zwei Metropolen, die 9.000 Kilometer trennen, und die dennoch einiges gemeinsam haben: Sie sind beide angesagt, ein Touristenmagnet und Hauptstädte der Ausgeh- und Partykultur. In beiden Städten gibt es auch viel Geschichte, Wissenschaft auf Top-Niveau und spannende Architektur. Seit 1994 sind Berlin und Tokio Partnerstädte, seit 2014 arbeiten sie gemeinsam an den Schwerpunkten Stadtentwicklung, Umwelt und Kultur. Denn manches ist ähnlich, manches aber auch ganz unterschiedlich. Daher lohnt es sich, die beiden Städte einmal im Vergleich anzusehen.
Viel Leben auf unterschiedlichem Raum
Täglich schieben sich etwa 3,5 Millionen Menschen durch Tokios größtes U-Bahndrehkreuz Shinjuku – das sind fast so viele Menschen wie Berlin Einwohner hat (3,9 Millionen). Berlin ist die bevölkerungsreichste Stadt Deutschlands und sogar der Europäischen Union. Tokio hat jedoch mehr als doppelt so viele Einwohner (9,7 Millionen) wie Berlin, der Ballungsraum Tokio sogar mehr als 37 Millionen. Der Stadtstaat Berlin ist mit 891 Quadratkilometern die flächengrößte Gemeinde Deutschlands, in Tokio drängen sich die Bewohner auf einer Fläche von nur 628 Quadratkilometern – es ist die am dichtesten besiedelte Stadt Japans. Dementsprechend viel wird in die Höhe gebaut und jeder Quadratmeter genutzt. Sportplatz auf dem Dach? Aufzug für Auto- und Fahrradgaragen oder ein Museum im 53. Stock? In Tokio ist all das möglich.
Stadt- oder Landprämie
Allein in den vergangenen zehn Jahren sind in Berlin 400.000 neue Einwohnerinnen und Einwohner dazugekommen – und die Stadt freut sich über jeden Neuzugang und vergibt teilweise sogar Begrüßungsprämien.
In Tokio hingegen wird die magnetische Anziehungskraft der Hauptstadt zunehmend zum Problem. Schon jetzt lebt rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung Japans im Ballungsraum Tokio. Die Regierung versucht mit Prämien vor allem Familien und Unternehmen dazu zu bewegen, in ländlichere Regionen zu ziehen, von denen einige aufgrund des demografischen Wandels und der schrumpfenden Bevölkerung beinahe aussterben.
Geschichte und Moderne
Das geschäftige Tokio vereint Moderne mit Tradition und Geschichte – direkt nebeneinander mitten in der Stadt: Historische Anlagen wie der imposante Meiji-Schrein liegen gleich neben ultramodernen Hochhäusern wie einem neuen Einkaufszentrum in Harajuku.
Auch in Berlin liegen Geschichte und Fortschritt eng beieinander, wie auf der Museumsinsel Berlin, einem herausragenden architektonischen Gesamtkunstwerk: Fünf weltweit bekannte Museumsbauten aus der Zeit der preußischen Herrscher bilden gemeinsam mit der modernen James-Simon-Galerie des britischen Stararchitekten David Chipperfield ein spannendes Ensemble. 1999 wurde es als Welterbe der UNESCO eingetragen.
Wissenschaft der Superklasse
In beiden Metropolen befinden sich einige der besten Universitäten des Landes. Die drei großen Universitäten in Berlin – die Freie Universität Berlin, die Technische Universität Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin – sowie die Charité unterhalten seit mehr als 20 Jahren Kooperationen mit Universitäten in Tokio. Zur Humboldt-Universität gehört die Gedenkstätte für den japanischen Militärarzt, Dichter und Übersetzer Mori Ôgai in der Luisenstraße 39. In Berlin sitzt seit 1985 das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB), das vom deutschen und japanischen Außenministerium sowie vom Land Berlin unterstützt wird.
Zudem kooperieren zahlreiche außeruniversitäre Forschungsinstitute wie das Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft oder das Helmholtz-Zentrum Berlin mit japanischen Partnerinstituten. Die Fraunhofer-Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterhalten sogar Büros in Tokio.
Hauptstädte der Singles
Fragen zum Beziehungsstatus werden zwar nicht offiziell erhoben, aber Umfragen ergeben für beide Großstädte ein ähnliches Bild: Sowohl in Berlin als auch in Tokio lebt etwa die Hälfte der Bevölkerung in keiner festen Beziehung. Vielleicht ein Grund für die vielen Ausgehviertel in beiden Städten. In Tokio wird in Roppongi und Shibuya oft bis zum Morgen getanzt oder Karaoke gesunden, die Berliner Partykultur genießt international einen ausgezeichneten Ruf, auch aufgrund ihrer Kreativität und Anpassungsfähigkeit.
LGBTQ+-Kultur
Sowohl Berlin als auch Tokio sind liberal im Hinblick auf LGBTQ+. Auch wenn in Japan um die Anerkennung von Rechten von LGBTQ+ teilweise schwer gerungen wird, ist in Tokio davon nichts zu spüren. Das Viertel Shinjuku Ni-chōme ist ein Beispiel dafür, wie die Szene blüht: Rund 300 Bars und Nachtclubs liegen hier innerhalb von nur fünf Blocks – damit gilt „Ni-chōme“ als das Viertel mit der weltweit höchsten Konzentration an Queerenbars. An der Tokyo Pride nahmen 2024 etwa 270.000 Menschen teil.
In Berlin liegt das Epizentrum der LGBTQ+-Community rund um den Nollendorf Platz in Schöneberg im Südwesten Berlins. Auch in Mitte und Kreuzberg gibt es bekannte Locations, wie beispielsweise den Weinbergspark, das Café Sundström und den Nachtclub SchwuZ.
Voneinander lernen
Tokio ist Berlin in einigen Punkten zeitlich etwas voraus – zum Beispiel bei der Frage, wie eine alternde Gesellschaft dem damit verbundenen Fachkräftemangel begegnen kann. Auch bei den Themen digitaler Wandel und Smart City-Konzepte werden in Berlin und Tokio Strategien entwickelt, die für die jeweils andere Stadt spannend sein können. Bei allem, was die Städte voneinander lernen können, in einem wird Tokio ganz gewiss Berlin immer mehr als nur eine Nasenlänge voraus sein. Es ist nun mal die größte Metropolregion der Welt und Berlin im Vergleich der Einwohnerzahlen eine eher kleine Metropole.