Die besten deutschen Krimis
Deutsche Leser lieben Krimis. Aber welche Bücher aus der Flut der Neuerscheinungen sind wirklich lesenswert? Fünf heiße Tipps.
Deutschland. Der Treffpunkt für Krimifans ist das Festival „Criminale“, das während der ersten Maiwoche im österreichischen Graz gastiert. Krimi-Kritiker Frank Rumpel stellt fünf aktuelle Favoriten der deutschprachigen Krimiliteratur vor.
Max Annas: „Die Mauer“
Nicht in Berlin, sondern in Südafrika spielt Max Annas zweiter Roman „Die Mauer“. Der Autor hat einige Jahre dort gelebt. Ein junger Schwarzer will nach einer Autopanne in einer von Weißen bewohnten Gated Comunity um Hilfe bitten. Er sieht sich schon bald immer wilderen Gerüchten und Beschuldigungen ausgesetzt, versucht zu fliehen, findet aber den Ausgang nicht. Am Ende gibt es Tote. Hoch konzentriert, in schlanken Sätzen, schnell und grotesk zugespitzt erzählt dieser Thriller eine Geschichte über Rassismus und Hysterie, in der Annas zeigt, dass Abschottung nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist – nicht nur in Südafrika.
Simone Buchholz: „Blaue Nacht“
Im Hamburger Stadtteil St. Pauli fühlt sich Simone Buchholz‘ Protagonistin Chastity Riley wohl. Die trinkfeste Staatsanwältin wurde zur Opferschutzbeauftragten degradiert, weil sie einem Vorgesetzten Korruption nachwies. Nun kümmert sie sich um einen Mann, der halbtot geprügelt wurde und nicht reden will. Doch Riley kitzelt die Geschichte über einen geplanten Drogendeal und den Hamburger Hafen als Umschlagplatz für Europa aus ihm heraus. Angereichert mit dem Privatleben der Protagonistin entwickelt sich eine verschlungene Kriminalgeschichte, die Buchholz im sechsten Riley-Roman in ihrem treffsicheren, lakonischen Sound und mit handfestem Humor erzählt.
Christian von Ditfurth: „Zwei Sekunden“
Ein Bombenanschlag in Berlin. Nur knapp entgeht ihm die deutsche Bundeskanzlerin. Bei ihr ihm Auto sitzt der russische Präsident. Mit einem Terrorszenario beginnt Christian von Ditfurths zweiter Thriller um den eigenwilligen Kommissar Eugen de Bodt. Er widmet sich politischen Themen, die nicht im tagesaktuellen Fokus stehen. Gehen zunächst alle davon aus, dass der Anschlag Putin galt, wird bald klar, dass es um etwas ganz anderes ging. Es gibt mehr Tote, doch die Politiker halten sich bedeckt. Es wird nach Kräften intrigiert und de Bodt muss viel investieren, um die Hintergründe aufzudecken. Ein gewitzter, wendungsreicher, robuster Politthriller.
Friedrich Ani: „Nackter Mann, der brennt“
Als Fremder kehrt Ludwig Dragomir nach Jahren in sein bayrisches Heimatdorf zurück. Er will all jene inzwischen alten Männer zur Rechenschaft ziehen, die sich einst an einigen Jungen vergingen. Sacht und tastend lässt der Münchner Autor Friedrich Ani seinen Protagonisten von einer verlorenen Jugend und einem Leben mit Zweifeln erzählen. Das ist weit abseits der üblichen Klischees, in den Details immer wieder überraschend und ein nachtschwarzes Stück Literatur. Ani lässt ein Opfer zu Wort kommen, das zum Täter mutiert, getrieben von einer nicht zu sättigenden Wut, auch gegen sich selbst.
Merle Kröger: „Havarie“
Nicht mehr ganz neu, aber nach wie vor aktuell ist Merle Krögers Roman „Havarie“. Auf dem Mittelmeer trifft ein Kreuzfahrtschiff auf ein havariertes Schlauchboot mit zwölf algerischen Flüchtlingen an Bord. Die Autorin und Dokumentarfilmerin Kröger springt zwischen elf Protagonisten hin und her und montiert ihre Geschichten zu einem Thriller auf hoher See. Die Kapitel sind kurz, das Erzähltempo ist hoch und der Gegensatz unterschiedlichster Lebenswelten ist krass.
Über den Autor: Frank Rumpel ist Journalist und Literaturkritiker. Er verfasst Krimi-Kritiken für SWR 2 und crimemag.de und ist Jury-Mitglied der KrimiZeit-Bestenliste.
Criminale 2017 in Graz (Österreich) vom 2. bis 7. Mai 2017