Europäische Medien für mehr Zusammenhalt
Zehn Sprachen und es werden mehr: Die Deutsche Welle leitet ein multilinguales Content-Kollektiv. Die Vision von ENTR ist ein paneuropäisches Mediennetzwerk.
Was sagen Mallorquinerinnen und Mallorquiner zum Partytourismus auf ihrer Heimatinsel? Wie ist das Leben im zypriotischen Nikosia, Europas letzter geteilter Hauptstadt? Wie stehen die Einwohner Grönlands zu ihrer Zugehörigkeit zu Dänemark? Das sind nur einige Fragen, die auf den insgesamt 24 Social-Media-Kanälen von ENTR Antworten finden. ENTR ist ein europäisches Medienkollektiv, das journalistische Inhalte mit länderübergreifenden Perspektiven produziert.
Die Deutsche Welle ist Konsortialführer und steuert das Projekt mit der französischen Mediengesellschaft France Médias Monde, hinzu kommen Medienpartner aus ganz Europa. „Es ist nicht so, dass man da nur einmal im Monat telefoniert, sich auf ein Thema einigt und ein Video macht, das dann in allen Sprachen adaptiert wird“, sagt Patrick Leusch, Projektleiter von ENTR. „Das ist im täglichen Geschäft eine wirklich paneuropäische Zusammenarbeit mit allen Partnern.“ Gemeinsam werden interessante Themen diskutiert und neue Formate entwickelt.
Produziert wird täglich. „Der Algorithmus straft einen ab, wenn man faul ist“, bemerkt Leusch, der sich zum Telefon-Interview aus dem Auto auf dem Weg nach Brüssel meldet. Bei der Fahrt über die Grenze bricht die Verbindung kurz ab, dann hält sie. Über die aktuelle Projektlaufzeit werden 10.000 bis 12.000 Postings abgesetzt – darunter Bilder, Videos, Infografiken und mehr. Publiziert wird in neun Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Rumänisch, Polnisch, Bulgarisch, Niederländisch und Slowakisch.
Junge Europäerinnen und Europäer erreichen
Der Plan für ein europäisches Mediennetzwerk entstand als Reaktion auf den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union 2021. Patrick Leusch und Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle haben sich gefragt, welche Rolle Auslandsmedien für die Zukunft Europas spielen können. Die Idee: Junge Europäerinnen und Europäer besser erreichen. „Es gibt Geschichten, warum Europa wichtig ist, die aber bei jungen Leuten nicht mehr zünden. Die Geschichte, dass Europa Frieden schafft, ist für jemanden, der 50 Jahre nach Kriegsende geboren wird, vielleicht theoretisch verständlich, aber keine Lebenserfahrung.“
Nach einer gründlichen Marktanalyse stand das Konzept: Ein Angebot nicht nur für junge Europäerinnen und Europäer, sondern auch von jungen Europäerinnen und Europäern. Das ist teilweise gar nicht so einfach, wie Leusch erzählt: „Im Mai hatten wir das Problem, dass wir ein paar Sachen nicht produzieren konnten, wie geplant, weil unser TikToker Abitur-Klausuren hatte. Da mussten wir dann drumherum planen. Aber das ist wirklich wichtig, dass man die Leute machen lässt, die eben auch zur Zielgruppe sprechen.“ Bei ENTR arbeiten fest angestellte und freie Journalistinnen und Journalisten sowie Content-Creator aus den teilnehmenden Ländern. Finanziert wird das Projekt vom Auswärtigen Amt, den nationalen Medienpartnern sowie der Europäischen Kommission.
Inklusiv: Ein Medienangebot für Alle
ENTR setzt nicht nur auf höchste journalistische Standards, sondern verfolgt auch einen inklusiven Ansatz. Es möchte sich von bestehenden länderübergreifenden Angeboten unterscheiden. „Wir beten nicht das Hohelied der Errungenschaften Europas, sondern bieten Raum zur Debatte, was Europa eigentlich sein kann.“ Wichtig sei dabei, auch die Leute anzusprechen, die sich von vorhanden Medienangeboten nicht angesprochen fühlen. „Du musst einen ernsthaften Dialog führen. Du musst ihn in der Sprache der Leute führen und du musst mit denen reden, die nicht sowieso schon im französischen Schüleraustausch waren und nachher zwei Erasmus-Semester machen.“ Die Vision ist also ein paneuropäisches Mediennetzwerk, das die Breite der Gesellschaft erreicht. Wieso ist das so wichtig?
Laut dem bundesweiten „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ sind Kommunikationsmedien und die Art und Weise, wie Menschen sich über sie mit anderen Menschen in Beziehung setzen, ein maßgeblicher Faktor für die Konstruktion gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wer in den sozialen Medien ähnliche Inhalte konsumiert, hat eine geteilte Wissensbasis und kann sich leichter austauschen. Hier setzt ENTR an, indem es zu einer europäischen Medienlandschaft beiträgt. Mit insgesamt über 140.000 Followern und 160 Millionen Abrufen ist das Kollektiv hier auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel.
Für nächstes Jahr steht Ungarisch auf dem Programm, eine neue Sprache und ein neues Land im Netzwerk. Und: ENTR will noch mehr junge Menschen erreichen. Das ist vor allem im Hinblick auf die Europawahl 2024 relevant. In Belgien, Deutschland, Österreich, Griechenland und Malta dürfen hier erstmals 16- und 17-Jährige wählen. Junge Leute, die erst einmal erreicht werden müssen – zum Beispiel über ENTR.