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Wo die Straßenbahn über die Grenze fährt

Die deutsch-französischen Grenzstädte Kehl und Straßburg: ein gelungenes Beispiel für erfolgreiche europäische Integration. 

Klaus LüberKlaus Lüber, 28.08.2024
Fußgänger- und Radfahrbrücke zwischen Kehl und Straßburg
Fußgänger- und Radfahrbrücke zwischen Kehl und Straßburg © picture-alliance/ dpa

Werde ich kontrolliert oder nicht? Und falls ja, wie lange dauert es? Lohnt es sich dann überhaupt, über die Grenze zu fahren? Wer in den 1980er-Jahren an der deutsch-französischen Grenze in der deutschen Kleinstadt Kehl aufgewachsen ist, weiß, wie nervenaufreibend es manchmal war, das benachbarte Straßburg zu besuchen, schon damals bekannt als Sitz des Europaparlaments. Obwohl es nur ein paar hundert Meter Brücke über den Rhein waren. Oft blieb man lieber zu Hause.  

Mit der Straßenbahn zum Straßburger Münster 

Heute sind die Grenzposten längst verschwunden. Wer von Kehl nach Straßburg will – oder umgekehrt – fährt 15 Minuten mit dem Auto, schlendert oder radelt über die schicke „Passerelle des Deux Rives“, eine 2004 eröffnete Fußgänger- und Radfahrerbrücke über den Rhein. Oder steigt am Kehler Rathaus in die Tram und fährt schnell über den Rhein. Seit 2017 verkehrt die Straßenbahn zwischen den Städten. 

Straßenbahn auf dem Weg von Straßburg nach Kehl
Straßenbahn auf dem Weg von Straßburg nach Kehl © picture alliance / CHROMORANGE

Grenzüberschreitende Projekte 

Wie sehr die Städte und die Region, das Elsass und die deutsche Ortenau, inzwischen verwoben sind, zeigt sich an vielen grenzüberschreitenden Projekten. Die fördert seit 2005 der Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau, ein grenzüberschreitender Kooperationsraum.  

So gibt es seit 2021 das Bildungsprojekt „Spiel & Parle“, das Grundschulkindern auf spielerische Weise die Nachbarsprache vermittelt. „Damit stimuliert das Projekt auch die Entwicklung der interkulturellen Neugier der Kinder, einer Schlüsselkompetenz, die in einer grenzüberschreitenden Region wie hier von entscheidender Bedeutung ist“, sagt Katrin Neuss, stellvertretende Generalsekretärin des Eurodistrikts. Bereits seit 2013 existiert die deutsch-französische Fahrradstaffel der Polizei, die in derselben Uniform im Grenzgebiet patrouilliert – ein in dieser Form in Europa bislang einzigartiges Projekt. 

„Bassin de vie“ – gemeinsamer Lebensraum 

2023 feierte Kehl das 30-jährige Bestehen mehrerer grenzüberschreitender Einrichtungen. Wie selbstverständlich deutsche und französische Bürgerinnen und Bürger zusammenleben, bekräftigte damals Heike Thiele, deutsche Generalkonsulin in Straßburg und Botschafterin beim Europarat: „Grenzregionen sind die sichtbaren und unsichtbaren Nahtstellen Europas. Der Oberrhein ist ein eng verflochtener, wie es in Frankreich heißt ‚bassin de vie‘ – institutionell wie persönlich.“ In diesem gemeinsamen Lebensraum werde die europäische Integration greifbar.