Willkommene Hilfe in der Pandemie
Weil Pflegekräfte knapp sind, kommen immer mehr Vietnamesinnen und Vietnamesen zur Ausbildung nach Deutschland. Einen Tipp sollten sie beherzigen.
Als Kieu Oanh 2019 in Deutschland ankam, war sie sofort begeistert: ein herzlicher Empfang, saubere Luft, ein zuverlässiges Verkehrssystem. Doch der Einstieg ins Berufsleben an der Universitätsklinik Rostock verlief holpriger als erwartet. Wegen der Sprache kam es anfangs zu Missverständnissen. „Eine deutsche Kollegin sagte: Hol die Unterlagen. Und ich brachte die falschen“, erzählt die 25-jährige Pflegerin aus Vietnam. Doch so schnell gab sie nicht auf, lernte weiter Deutsch – und bald wurde es besser.
Die eigentliche Arbeit war ohnehin kein Problem. Denn in Hanoi hatte Kieu bereits ein Pflegestudium abgeschlossen. Weil die Inhalte aber etwas anders sind, musste sie in Deutschland noch einmal die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft durchlaufen – wie 20 andere Vietnamesinnen und vier Vietnamesen mit ihr. Ähnliche Erfahrungen machte auch Huyen Nguyen, die im dritten Lehrjahr an der Uniklinik Rostock ist. „Ich konnte mich gerade auf Deutsch verständigen, da sollte ich schon lateinische Fachbegriffe können“, sagt die 25-jährige. „Das war schwer.“
In Deutschland herrscht Personalmangel in Kliniken, Seniorenheimen und ambulanten Pflegediensten. Und da immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, steigt der Bedarf weiter. Etwa eine halbe Million Pflegefachkräfte könnten in Deutschland bis zum Jahr 2035 fehlen, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln errechnet. Um etwas gegen den Mangel zu tun, werben die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Bundesagentur für Arbeit im Auftrag deutscher Kliniken und Pflegeeinrichtungen um künftige Pflegekräfte aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Vietnam.
Das Portal Make it in Germany unterstützt Interessierte – auch in vietnamesischer Sprache. Seit 2013 haben mehr als 430 Vietnamesen eine Pflegeausbildung in Krankenhäusern oder in der Altenpflege in Deutschland begonnen. Wichtigste Voraussetzung: Deutschkenntnisse mindestens auf B2-Niveau. Etwa 200 Vietnamesinnen und Vietnamesen bereiten sich laut GIZ gerade auf die Ausreise vor. In Deutschland angekommen, erhalten sie das gleiche Gehalt wie die deutschen Kollegen und werden von Betreuern unterstützt.
Hilfe bei der Eingewöhnung
An der Uniklinik Rostock sorgt Caren Erdmann dafür, dass sich die Gäste rasch in der Stadt an der Ostsee eingewöhnen. Sie besorgt den Azubis möblierte Zimmer im Wohnheim, hilft bei der Kontoeröffnung und in alltäglichen Fragen. Inzwischen werden Pflege-Azubis aus Vietnam im dritten Jahr ausgebildet, 72 sind es insgesamt. Nur eine Auszubildende hat bisher abgebrochen. Erdmann ist zufrieden mit ihren Azubis. „Sie sind zuverlässig und fleißig und den Patienten sehr zugewandt“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Doch sie sagt auch: „Die Sprachbarriere ist die größte Herausforderung – nach wie vor.“ Das bestätigt auch Sigrid Hoborn, die Leiterin der Lübzer Tagespflege. Lübz ist ein kleiner Ort in Mecklenburg-Vorpommern, in der Einrichtung werden 20 ältere Menschen tagsüber betreut. Seit Herbst arbeiten dort zwei junge Azubis aus Vietnam.
Hinzu kommt ein weiterer kleiner interkultureller Unterschied: In Deutschland übernehmen Pflegekräfte nur wenig medizinische Aufgaben, hauptsächlich geht es um die Pflege der Menschen. Auch Kieu Oanh war anfangs verwirrt, dass sie Patienten waschen sollte. In Vietnam übernehmen das die Angehörigen. In Deutschland aber ist es normal, dass Pflegekräfte Essen reichen und sich um die Körperpflege kümmern.
Fast alle wollen bleiben
Dennoch haben sich Huyen Nguyen und Kieu Oanh gut eingelebt und wollen bleiben. Huyen Nguyen wird in diesem Sommer fertig. Sie hat Wurzeln geschlagen in der Stadt an der Ostsee, lebt mit ihrem deutschen Freund zusammen und mag das deutsche Essen. Auch Kieu Oanh ist sicher, dass sie bleiben und später eine Familie in Deutschland gründen möchte. Sie hat große Pläne: Nach der Ausbildung möchte sie sich zur Praxisanleiterin weiterbilden und ihr Wissen an Nachwuchskäfte weitergeben. Die beiden Azubis in der Lübzer Tagespflege möchten ihre Ausbildung allerdings in Hamburg fortsetzen, wo Verwandte leben. Der kleine Ort ist für die beiden 22-Jährigen, die aus Millionenstädten stammen, dann auf Dauer doch nicht so ganz das Richtige.