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Als Paar zusammengefunden

Samira und Sohal aus Berlin sprechen im Interview über ihren gemeinsamen Weg, kulturelle Unterschiede und die Ehe für alle.

Interview: Johannes Göbel, 27.06.2021
Samira und Sohal
Samira und Sohal © privat

Hallo Samira, hallo Sohal, seit knapp neun Jahren seid ihr ein Paar. Wie seid ihr zusammengekommen?
Samira:
Wir haben beide an der Uni in Hannover studiert und dadurch eine gemeinsame Bekannte. Ihr hatten wir unabhängig voneinander unser Leid geklagt: Die queere Community in Hannover war uns seinerzeit nicht divers genug. So kamen wir miteinander ins Gespräch, wurden Freunde und schließlich ein Paar.

Sohal: Als PoC(„Person of Color“)-Frau habe ich mich in der queeren Community in Hannover nicht repräsentiert gefühlt; auch in Filmen und Serien dominierten queere Stereotype. Mir hat die Intersektionalität gefehlt, das Verständnis, dass eine queere Community nicht nur weiß und privilegiert ist.

Hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert?
Samira:
Es gibt mehr Repräsentation, das ist aber auch eine Generationen-Frage. Die Generation Z setzt sich offensiver mit Gender, sexueller Orientierung und Identität auseinander. In den sozialen Medien können viele eigene Communitys und Reichweiten aufbauen; mehr Menschen können sichtbar oder sogar zum Sprachrohr werden. Es gibt nicht mehr das eine Bild der lesbischen Frau, sondern ein viel größeres Spektrum. Wir bezeichnen uns auch deshalb als queer, weil das viele intersektionale Haltungen und Identitäten einschließt.

Sohal: Ich denke, bei der Repräsentation gibt es noch immer Luft nach oben, in der Medienlandschaft genauso wie in der Politik. Noch immer müssen wir viel Aufklärungsarbeit selbst leisten, sei es auf der Arbeit oder in der Familie.

Habt ihr da unterschiedliche Erfahrungen gemacht?
Sohal:
Ja. Meine Eltern stammen aus Afghanistan, aus einem konservativen, stark heterosexuell dominierten Umfeld. Mein sieben Jahre jüngerer Bruder ist ebenfalls queer. Uns fehlten Vorbilder, aber wir hatten das Glück, uns gemeinsam auf die Reise zu unserer Identität zu machen. Wir konnten unsere Familie auf diese Reise mitnehmen, auch wenn wir immer noch viel zu unserem Lebensentwurf erklären müssen.

Samira: Nach der Trennung meines Vaters und meiner Mutter bin ich in einer bayerischen Kleinstadt in einer Regenbogenfamilie groß geworden. Dadurch, dass meine Mutter und ihre Partnerin ihre Beziehung offen gelebt haben, wurde ich ganz anders sozialisiert als Sohal. Im Kreis der Familie und der Bekannten gab es eine hohe Akzeptanz gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Ich habe aber auch als Kind mitbekommen, wie meine Mutter und ihre Partnerin angefeindet wurden.

Die Ehe für alle hat schlichtweg auch viele rechtliche Vorteile.
Sohal über ihre Ehe mit Samira

2017 wurde in Deutschland die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, die sogenannte Ehe für alle, beschlossen. Was bedeutet euch das?
Samira:
Das ist für uns etwas ambivalent. Einerseits war es ein wichtiger historischer Schritt, der uns sehr bewegt hat. Andererseits kann ich auch diejenigen verstehen, die sagen: Auf ein Lebenskonstrukt, das mir jahrzehntelang verwehrt wurde, bin ich nicht angewiesen.

Sohal: Vor der Ehe für alle gab es die Situation, dass ich in die Notaufnahme eines Krankenhauses musste, und Samira nicht zu mir kommen konnte. Die Ehe für alle hat schlichtweg viele rechtliche Vorteile. Und für uns beide war unsere Hochzeit im vergangenen Jahr auch ein starkes Zeichen für unser Zusammensein.

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