Neuanfang in Berlin
Die Open Society Foundations, gegründet von George Soros, ziehen mit ihrem ungarischen Büro nach Berlin. Wie es dazu kam und was es bedeutet.
Warum der Umzug von Budapest nach Berlin?
„Die ungarische Regierung hat unsere Arbeit verunglimpft und falsch dargestellt.“ Mit diesen Worten begründet Patrick Gaspard, Präsident der Open Society Foundations (OSF), warum die Stiftungen von US-Milliardär George Soros Budapest als Standort nach mehr als 30 Jahren verlassen. Das rund 100-köpfige Team zieht nach Berlin. Seit Monaten hatte sich der Konflikt zwischen den OSF und der Regierung von Viktor Orbán zugespitzt. Im Juni 2017 verabschiedete das ungarische Parlament ein umstrittenes Gesetz, das Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, stärker unter staatliche Kontrolle stellt. Zudem wurde Gründer Soros mit Plakatkampagnen persönlich diffamiert. Zuletzt befürchteten die OSF, die Sicherheit ihres Teams nicht mehr gewährleisten zu können. Ein ungarisches Magazin hatte eine Namensliste der als „Soros-Söldner“ bezeichneten Mitarbeiter veröffentlicht.
Wie empfängt Berlin die Open Society Foundations?
„Uns liegt viel daran, dass die Open Society Foundations ihre wichtige Arbeit fortsetzen können und dass die Kolleginnen und Kollegen an einem Ort arbeiten, wo sie sich wohl und sicher fühlen“, sagt Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Der Verband hat dafür kürzlich ein „Arrival Program“ ins Leben gerufen. Die Familien aus Ungarn sollen beim Umzug unterstützt werden, etwa bei der Suche nach Schulen und Kindergärten. Außerdem wird der Bundesverband professionelle Starthilfe leisten. „Der rechtliche Rahmen für Stiftungen unterscheidet sich von Land zu Land stark“, erklärt Oldenburg. Zunächst wird das Team aus Budapest temporäre Büroräume in Berlin-Mitte beziehen. Mittelfristig suchen die OSF nach einem eigenen Stiftungshaus.
Wie haben sich die politischen Bedingungen für Stiftungen in den vergangenen Jahren generell verändert?
Schon 2017 hatten etliche internationale Stiftungen gemeinsam darauf aufmerksam gemacht, dass in einer „wachsenden Zahl europäischer Länder“ die Arbeit von NGOs, Stiftungen, akademischen Institutionen und der freien Presse „auf Grund politischer Radikalisierung und Polarisierung zunehmend eingeschränkt“ werde. Es brauche daher dringend „robuste Mechanismen zum Schutz, zur Verteidigung und Förderung der Grundfreiheiten“. Ähnlich äußerte sich das europäische Stiftungsnetzwerk DAFNE, das jährlich eine Art politischen Wetterbericht veröffentlicht. 2017 sei von „Frost, Nebel und Gewitter“ geprägt gewesen. Nicht nur in Russland und der Türkei sei das Klima für Stiftungen rauer geworden. Auch in EU-Ländern wie Ungarn und Polen werde ihre Arbeit durch Restriktionen und Denunziationen erschwert. „Es besorgt uns sehr, dass die Einschüchterung der Zivilgesellschaft und das Schüren von Ressentiments gegenüber Stiftungen so einfach und schnell funktionieren“, meint Felix Oldenburg. „Wir sollten den Umzug der Open Society Foundations daher auch als ein Warnsignal verstehen.“
Was sind die Aufgaben der Open Society Foundations?
Der 1930 in Ungarn geborene Soros, der mit Finanzgeschäften sein Vermögen machte, begann in den 1980er-Jahren, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Heute umfasst das Netzwerk der Open Society Foundations 23 nationale und regionale Stiftungen, die jeweils einen eigenen Beirat und eigene Förderschwerpunkte haben. 2017 haben die OSF nach eigenen Angaben 940 Millionen Dollar ausgegeben. Finanziell unterstützt werden Einzelpersonen und Organisationen auf der ganzen Welt, die sich für Demokratie und Meinungsfreiheit einsetzen. Auch Projekte aus den Bereichen Gesundheit, Bildung und Journalismus werden gefördert.
Wie sieht die Stiftungslandschaft in Deutschland derzeit aus?
Es gibt in Deutschland mehr als 22.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts mit rund 68 Milliarden Euro bekanntem Stiftungskapital sowie zahlreiche weitere philanthropische Organisationen. Zu den größten Stiftungen zählen die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Bertelsmann Stiftung, die Carl-Zeiss-Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung und die Hertie-Stiftung. Orte mit der höchsten Stiftungsdichte sind Oldenburg und Würzburg; auch in Hamburg, München, Stuttgart und Frankfurt am Main sitzen viele namhafte Stiftungen. „Durch den Umzug der Open Society Foundations wird Berlin nun ebenfalls zu einem bedeutenden Stiftungsstandort“, sagt Felix Oldenburg. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hofft, dass das einen Sog auslöst – und andere ausländische Stiftungen nachziehen. „Wir wollen die Kraft der Zivilgesellschaft in Deutschland nutzen, um uns gemeinsam weltweit für Demokratie einzusetzen.“