„Eine neue Qualität“
Äthiopien hat eine vielversprechende Entwicklung genommen. In einem Punkt konnte Deutschland ganz besonders zum Erfolg beitragen, verrät Botschafterin Brita Wagener.
Frau Botschafterin Wagener, durch den Friedensnobelpreis für Ministerpräsident Abiy Ahmed ist Äthiopien in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Land?
Äthiopien hat in den vergangenen eineinhalb Jahren einen atemberaubenden Wandel vollzogen, der maßgeblich von Ministerpräsident Abiy Ahmed initiiert wurde. Politische Freiheiten haben sich merklich vergrößert: Tausende politische Gefangene wurden entlassen, die Opposition wurde entkriminalisiert und eingeladen, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Darüber hinaus hat Äthiopien diplomatische Erfolge zu verzeichnen. Kurz nach Amtsantritt hat Abiy Ahmed einen Friedenprozess mit Eritrea auf den Weg gebracht, der zuvor unvorstellbar war. Hierfür ist er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden. Auch jüngste Vermittlungen zwischen Militär und Demonstranten im Sudan gehören zu den diplomatischen Erfolgen.
Vor welchen Aufgaben steht das Land jetzt?
Äthiopien steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Dazu gehören die Befriedung interner Konflikte, die sich teils gewaltsam entlang ethnischer Linien entladen, sowie die Lösung wirtschaftlicher Probleme wie Arbeitslosigkeit und Devisenknappheit. Viele staatliche Strukturen müssen neu geschaffen werden, um die angestoßenen demokratischen Reformen zu verfestigen.
Deutschland und Äthiopien blicken auf eine lange Zusammenarbeit zurück. Wie intensiv ist sie heute?
Deutschland engagiert sich seit vielen Jahren in Äthiopien. Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. Äthiopien war eines der ersten Länder, mit denen die Bundesrepublik in diesem Bereich zusammengearbeitet hat. Deutschland unterstützt Äthiopien auf seinem Reformweg. Man kann sogar sagen, dass unsere Zusammenarbeit zuletzt eine neue Qualität erreicht hat. Im Rahmen einer Reformpartnerschaft wird Deutschland zusätzliche finanzielle und technische Unterstützung bereitstellen. Darüber hinaus vertiefen wir auch unsere politische Zusammenarbeit mit Äthiopien, unter anderem durch die Gründung einer Binationalen Kommission wird der Austausch untereinander intensiviert.
Wie unterstützt Deutschland die wirtschaftliche Entwicklung in Äthiopien?
Wir haben mittlerweile ein breites Instrumentarium, mit dem wir unternehmerisches Engagement in Afrika fördern können. Dies gilt natürlich für den Bereich der Außenwirtschaftsförderung, aber verstärkt auch für den Bereich unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, die wir noch stärker mit Aktivitäten des Privatsektors verbinden möchten, etwa durch die neue „Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung“ oder den Entwicklungsinvestitionsfonds.
Die Geschichte der Deutschen Botschaftsschule Addis Abeba ist geradezu ein Abbild der wechselvollen deutsch-äthiopischen Zusammenarbeit. Welchen Stellenwert hat Bildung in der Zusammenarbeit?
Die Bildungsarbeit der Deutschen Botschaftsschule leistet einen wertvollen und nachhaltigen Beitrag im Rahmen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Seit 2007 steht die Schule auch äthiopischen Staatsangehörigen offen, so dass mittlerweile die ersten äthiopischen Absolventen die Schule erfolgreich durchlaufen haben. Schon jetzt zeichnet sich im Kindergarten der Schule ab, dass die Schüleranzahl künftig deutlich steigen wird. Dies spiegelt die Wertschätzung der deutschen Schulausbildung in Äthiopien wider. Das muttersprachliche Erlernen der deutschen Unterrichtssprache schafft dabei lebenslang ein verbindendes Element zwischen der deutschen und äthiopischen Kultur.
Und wie sieht es im Bereich der beruflichen Bildung aus?
Wir haben mit unseren eigenen Erfahrungen mit dem System der dualen Ausbildung einen wirklichen Mehrwert im Vergleich zu anderen Ländern. Dies ist auch in Äthiopien der Fall. Die äthiopische Regierung hat sich vor über zehn Jahren dafür entschieden, ein Berufsbildungssystem nach deutschem Vorbild aufzubauen. Angesichts einer zunehmend jungen Bevölkerung und hoher Jugendarbeitslosigkeit genießt die Berufsbildung bei der äthiopischen Regierung höchste Priorität. Deutschland ist seither in diesem, für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes elementaren Bereich, der wichtigste Partner. Über 100.000 Äthiopierinnen und Äthiopier haben von dieser Unterstützung seither profitiert. Ich denke, dass dies ein durchaus beeindruckender Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Äthiopiens ist.
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