Das bedeuten „Wir“-Botschaften
Ein Wort – unterschiedliche Aussagen: Eine Sprachwissenschaftlerin entschlüsselt, was Politiker meinen, wenn sie „wir“ sagen.
Deutschland. „Wir schaffen das“ und „Yes, We Can“ – seit einiger Zeit transportieren viele Politiker ihre Botschaften mit „Wir“-Slogans. Welche Absicht steckt hinter dieser Rhetorik und wie wirkt sie? Eine Analyse liefert die Sprachforscherin Elisabeth Wehling im Magazin „Kulturen des Wir“, einer Publikation des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa).
Dem Wort „wir“ kann sich niemand entziehen. Es erreicht Bürger, Wähler und Kritiker auf der persönlichen Ebene. Jeder muss dazu Position beziehen: Will ich zu dem „wir“ dazugehören? Oder distanziere ich mich? Deshalb wirkt diese politische Rhetorik so eindringlich.
Am Beispiel von Bundeskanzlerin Angela Merkel („Wir schaffen das“) und dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama („Yes, We Can“) sowie der französischen Rechtsnationalistin Marine Le Pen („On est chez nous“; „Wir sind hier zu Hause“) erklärt die Sprachforscherin, wie unterschiedlich die Ideologien und Aussagen dieser sogenannten „Wir“-Kampagnen sind. Elisabeth Wehling unterscheidet zwischen einem einschließenden und einem abgrenzenden „wir“ und zwischen progressiven und autoritären Gesellschaften.
Deutschlands Wir-Bewusstsein
„Eine progressive Gemeinschaft hat ein fürsorgliches, weniger hierarchisches, weniger exklusives, mehr inklusives Gemeinschaftsbild“, schreibt Wehling. „Angela Merkel ist dafür ein Beispiel, als Konservative ist sie in die Mitte gegangen. Die Gegenbewegung geht in die autoritäre Richtung.“
Geprägt von seiner besonderen Geschichte habe Deutschland überdies „noch ein taufrisches Bewusstsein darüber, wie wichtig es ist, friedlich miteinander zu leben, international nicht als Agitator aufzutreten und außenpolitisch wohlwollend zu agieren“, führt sie aus. Wer in diesem Sinne „wir“ sage, denke über die eigene Gruppe hinaus.
Wir gegen die anderen
Dagegen grenzen sich Populisten und Nationalisten mit dem „wir“ gegen „die anderen“ ab. Sie suggerieren, dass die eigene Gruppe in ihrer Identität und Existenz gefährdet sei, so Wehlings Analyse. In diese Kategorie gehören die Slogans französischer und britischer Rechtspopulisten.
Im Interview mit „Kulturen des Wir“ zeigt Wehling auf, dass Patriotismus und die Übernahme von Verantwortung innerhalb der Weltgemeinschaft einander nicht ausschließen. Sie appelliert an die Gesellschaft, „den Patriotismusgedanken nicht autoritär von rechts besetzen“ zu lassen.
Elisabeth Wehling ist Sprach- und Kognitionsforscherin an der University of California in Berkeley. 2016 erschien ihr Buch „Politisches Framing“.
Hier findet ihr das ganze Interview (auf Deutsch und Englisch): Das politische „Wir“