„Wir müssen etwas tun“
Der 29-jährige Leo Mausbach lebt deutsch-polnische Freundschaft – und möchte mit einer Denkmalinitiative zum Gelingen der Aussöhnung beitragen.
Man mag es einen Traum nennen oder eine Vision. Leo Mausbach jedenfalls hat dieses Bild im Kopf. Es zeigt friedlich flackernde Kerzen vor einem Denkmal im Herzen Berlins, das an die Opfer der deutschen Besatzung in Polen zwischen 1939 und 1945 erinnert, zugleich aber von der Versöhnung zwischen den Menschen kündet. Denn um Freundschaft und Nähe zwischen Polen und Deutschen geht es Mausbach vor allem, der im Juni 1990, in dem Frühling zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, in Berlin geboren wurde und heute mit seiner polnischen Frau Anna in Warschau lebt, wo er bei der Auslandshandelskammer arbeitet.
Noch gibt es das Berliner Polendenkmal nicht und auch keine brennenden Kerzen. Aber die Initiative zur Schaffung eines solchen Erinnerungs- und Begegnungsortes am Askanischen Platz, die Mausbach vor zwei Jahren fast im Alleingang ergriff, ist auf gutem Weg. „Aktuell ist der Bundestag am Zug“, erklärt er und verweist auf einen fraktionsübergreifenden Appell, dem sich bereits 264 Abgeordnete angeschlossen haben. Auch Außenminister Heiko Maas hat sich für die Errichtung eines Mahnmals ausgesprochen, das an eine ältere Idee des Auschwitz-Überlebenden Wladysław Bartoszewski anknüpfen würde.
„Es war ein Herzensanliegen dieses Schirmherrn deutsch-polnischer Versöhnung.“ Darauf wies schon jene Gruppe prominenter Initiatoren hin, die Mausbach im Herbst 2017 als Erste mit ins Boot holte. Mit dabei waren die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, ihr Nachfolger Wolfgang Thierse sowie die Direktoren des Deutschen Polen-Instituts und der Stiftung Topographie der Terrors, Dieter Bingen und Andreas Nachama. Nicht zuletzt gehörte aber auch Florian Mausbach dazu, der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, den sein Sohn Leo mit dem schlichten Satz angesprochen hatte: „Papa, wir müssen etwas tun.“
Etwas tun zu müssen glaubte Leo Mausbach damals, weil sich die Menschen diesseits und jenseits von Oder und Neiße wieder voneinander zu entfernen begannen. Zweieinhalb Jahre nach Bartoszewskis Tod im April 2015 schien sich der lange Schatten der Geschichte immer stärker über das deutsch-polnische Verhältnis zu legen, statt sich aufzuhellen. So forderte die nationalkonservative polnische Regierungspartei PiS Reparationen „für die unglaublichen Schäden der deutschen Besatzungszeit, die bis heute nicht vollständig beseitigt werden konnten.“ Der Streit schwelt noch immer.
Leo Mausbach nahm aber nicht nur die historisch-politischen Konflikte wahr, sondern auch die Probleme zwischen den Menschen und die schleichende Veränderung der wechselseitigen Wahrnehmung. Denn seit dem Beginn seines Politikstudiums an der FU Berlin im Jahr 2009 reiste er immer wieder nach Polen, lebte dort zeitweise und lernte die für Deutsche nicht ganz so leicht zugängliche Sprache. Dabei war dem West-Berliner das Interesse für den Osten keineswegs in die Wiege gelegt. „Ich hatte in der Schule Französisch und Englisch.“ Das keine 100 Kilometer entfernte Polen sei „gefühlt weiter weg gewesen als Paris oder London“.
Den entscheidenden Sinneswandel löste bei Leo Mausbach ein Erasmus-Semester aus, das er 2012 in Wrocław absolvierte, dem einstigen Breslau. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich mich entschieden habe, einen deutsch-polnischen Doppelmaster anzustreben.“ Er setzte sein Studium an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und Słubice fort, ging später nach Poznań, machte seinen Abschluss und absolvierte ein Praktikum beim Sejm, dem Parlament in Warschau.
Seine Frau Anna heiratete er 2018. „Kennengelernt haben wir uns im Studium bei einer Veranstaltung, als wir gemeinsam die Garderobe betreut haben. Da hat man viel Zeit zum Reden.“ Deutsche und Polen miteinander ins Gespräch zu bringen, das hält Mausbach für den Schlüssel zu einer gelingenden Versöhnung. Deshalb ist er auch so froh, dass die Denkmalinitiative inzwischen auf eine so große Resonanz in seiner Heimat gestoßen ist. „Polen findet in Deutschland immer noch zu selten statt“, sagt er - und meint damit keineswegs nur die Geschichte.
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