Deutsche hoffen auf Joe Biden
Umfrage: Überwältigende Mehrheit rechnet wegen des neuen Präsidenten mit besseren Beziehungen zu den USA
Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden rechnet eine überwältigende Mehrheit der Deutschen einer Umfrage zufolge mit einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen. 84 Prozent äußerten sich in dieser Frage optimistisch, wie das Forschungsinstitut Pew am Dienstag in Washington mitteilte. Nur 13 Prozent vertraten eine pessimistische Haltung. Ähnlich groß ist die Hoffnung in Frankreich (84 Prozent zu 14 Prozent), etwas gedämpfter ist sie in Großbritannien (72 Prozent zu 23 Prozent). Auch 73 Prozent der Amerikaner glauben demnach an eine Verbesserung der Beziehungen zu europäischen Staaten unter einer Biden-Regierung.
Auswärtiges Amt sieht mit Biden eine „Riesen-Chance“
Seit seinem Wahlsieg hatte Biden seine außenpolitischen Absichten in einem Satz zusammengefasst: „Amerika ist zurück.“ Trump hatte traditionelle US-Verbündete wie Deutschland und Frankreich häufig vor den Kopf gestoßen. Biden will dagegen die alten Bündnisse und Beziehungen der USA wiederbeleben, genauso wie die klassische Rolle der Diplomatie. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Biden bereits zugesagt, die Beziehungen zu Deutschland zu stärken und angeboten, eng mit ihr zusammenzuarbeiten. Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagte in mehreren Interviews, Joe Bidens Vereidigung werde nicht dazu führen, dass man sich in Europa zurücklehnen könne. „Es gibt jedoch die Riesen-Chance, dass wir in den großen Menschheitsfragen, wie dem Klimawandel oder auch in der Pandemie-Bekämpfung, einen fundamentalen Wandel in der Kooperation erleben werden“», sagte der SPD-Politiker. „Statt regelmäßiger Beschimpfungen zählt jetzt wieder eine verlässliche Kooperation. Ich gehe davon aus, dass die USA künftig auch wieder zuhören werden, statt Gefolgschaft zu verlangen“, fügte er hinzu.
Deutsche Industrie setzt auf Neustart der Beziehungen
Die deutsche Industrie hofft zum Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden auf einen Neustart in den Beziehungen zwischen Europa und den USA - sieht aber auch die Europäische Union am Zug. „Joe Bidens Präsidentschaft öffnet Europas Wirtschaft zuletzt verschlossene Türen, aber die EU muss selbst durch die Schwelle treten und proaktiv auf die neue Administration zugehen“, erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm. Die USA sind wichtigster Absatzmarkt für deutsche Warenexporte.
Im Klimaschutz und in der Digitalisierung warten laut Russwurm für die Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks enorme Herausforderungen, aber auch Chancen. „Dazu müssen sich EU und USA gemeinsam auf multilaterale Lösungsideen verständigen.“ Auch im Umgang mit China sei eine gemeinsame Agenda dringend erforderlich. In der Handelspolitik gelte es, die für beide Seiten belastenden Sonderzölle abzubauen.
Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), forderte die neue US-Regierung zu Zugeständnissen auf. „Ich erwarte, dass die neue amerikanische Regierung die Strafzölle auf Stahl und Aluminium bedingungslos abräumt“, sagte Beyer dem Nachrichtenportal t-online. Beyer zeigte sich optimistisch: „Die ersten Wortmeldungen und Entscheidungen von Joe Biden stimmen mich zuversichtlich, dass ein Neustart der transatlantischen Beziehungen gelingen kann.“
Pipeline Nord Stream 2 bleibt Streitpunkt
Andere Themen werden bleiben, auch unter Joe Biden. Einen zentrale Frage bleibt dabei die zweite Unterwasser-Gasleitung Nord Stream 2, die Russland mit Deutschland verbinden soll. Der Kongress hat kürzlich mit großer überparteilicher Mehrheit neue Sanktionen wegen des Baus der Pipeline verhängt. (mit dpa/DW)