Botschafter Rolf Nikel in Polen
In der deutschland.de-Serie „Auf Posten“ gewähren Botschafter und hochrangige deutsche Mitarbeiter in internationalen Organisationen Einblicke in ihre Arbeit. Teil 17: Rolf Nikel in Polen.
Welche Themen bestimmen derzeit die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Ihrem Gastland?
Deutschland und Polen stehen als Partner in EU und NATO vor den gleichen großen Herausforderungen: Die Bewältigung der Flüchtlingskrise, der Kampf gegen den Terrorismus sowie die Beendigung des weiterhin schwelenden Konflikts in und um die Ukraine.
Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise stimmen wir mit den Polen überein, was die Sicherung der Außengrenzen und die Unterstützung der Staaten in der Region angeht. Darüber hinaus wird man diese Krise nur im Geiste der europäischen Solidarität lösen können. Wie diese Solidarität aussehen kann, darüber führen wir auch mit unseren polnischen Partnern intensive Gespräche.
Mit Blick auf den Konflikt in und um die Ukraine sind wir uns mit den Polen darüber einig, dass die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens erforderlich ist.
Was verbindet Ihr Gastland mit Deutschland auf besondere Weise und in welchen Feldern würden Sie die Beziehungen gern weiter vertiefen?
Deutschland und Polen verbindet eine ausgesprochen gute und vielschichtige Beziehung. Die deutsch-polnischen Beziehungen haben einen Stand erreicht, wie wir ihn in unserer langen und teils tragischen gemeinsamen Geschichte bislang nicht kannten. Insbesondere in den letzten 25 Jahren, nach der Wende, bei der Polen eine wesentliche Rolle spielte, haben sich diese Beziehungen sehr positiv entwickelt.
Die zivilgesellschaftliche deutsch-polnische Zusammenarbeit ist das Rückgrat unserer Beziehungen. Tausende deutsch-polnischer Partnerschaften auf privater und institutioneller Basis mit über 400 Städtepartnerschaften und ungezählten Regional-, Schul- und Universitätspartnerschaften sind das Fundament für sich immer weiter vertiefende Kontakte. Dabei spielen auch die deutsche Minderheit in Polen sowie die in Deutschland lebenden polnischen und polnischstämmigen Bürger und ihre Vereinigungen eine wichtige Rolle.
Diese zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit gilt es weiterhin zu pflegen und zu fördern. Eine wichtige Rolle dürften hierbei der Jugendaustausch und das Erlernen der jeweiligen Nachbarsprache spielen. Polen ist Weltmeister im Deutschlernen. 2,3 Millionen Polen lernen derzeit Deutsch.
Polen hat im Oktober 2015 eine neue Regierung gewählt. Welche Veränderungen zeichnen sich für Polen, Deutschland und Europa ab?
Die neue polnische Regierung ist erst wenige Wochen im Amt. Noch ist es zu früh, sich über ihren Kurs ein abschließendes Bild zu machen. Polen wird in Europa weiterhin eine gewichtige Stimme in der Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen, die vor uns stehen, haben. Aus meinen Gesprächen weiß ich, dass auch der neuen Regierung, wie übrigens auch dem neuen Präsidenten, die deutsch-polnischen Beziehungen und deren Ausbau wichtig sind. Die größeren Veränderungen erwarte ich mir eher in Polen selbst, nachdem die regierende PiS im Wahlkampf einen Schwerpunkt auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik gelegt hat.
2016 jährt sich der Nachbarschaftsvertag zum 25. Mal. Aus diesem Anlass soll ein „Deutsch-Polnisches Jahr“ veranstaltet werden. Was ist geplant?
Im Jubiläumsjahr 2016 wird es auf beiden Seiten der Oder eine Vielzahl politischer, kultureller und gesellschaftlicher Veranstaltung geben, um die deutsch-polnische Freundschaft zu feiern. Geplant sind etwa eine gemeinsame Sitzung beider Regierungen in Berlin am Jahrestag der Vertragsunterzeichnung am 17. Juni sowie ein Fest für die Bürger im Zentrum der Stadt. Darüber hinaus wird das Deutsch-Polnische Jugendwerk eine Jubiläumsfeier in Warschau ausrichten; die Präsidenten beider Länder sind dazu eingeladen.
Das ganze Jahr über wird es an verschiedenen Orten Veranstaltungen der zahlreichen deutsch-polnischen zivilgesellschaftlichen Initiativen geben. Die Botschaft Warschau wird etwa gemeinsam mit dem Goethe-Institut Warschau „Deutsche Wochen“ in Polen unter dem Motto: „Der gute Nachbar lädt ein“ organisieren und hier Veranstaltungen zu den Themen Film, Musik, Mode, Stadt und Garten sowie Kulinarik anbieten.
Häufig unterscheiden sich Innensicht und Außensicht eines Landes. Was muss nach Ihren persönlichen Erfahrungen mal über Polen gesagt werden?
Polen ist für viele Deutsche leider weiterhin der große unbekannte Nachbar. Der durchschnittliche Pole weiß über Deutschland viel mehr als der durchschnittliche Deutsche über Polen. Dabei hat Polen sowohl touristisch als auch wirtschaftlich und kulturell sehr viel zu bieten. Ich würde mir wünschen, dass mehr Deutsche den Schritt über die Oder wagen würden. Mich persönlich begeistert am meisten die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Polen, aber auch deren unternehmerisches Denken und Improvisationskunst.