„Für Europa auf die Straße gehen“
Der Erfolg der pro-europäischen Demonstrationen „Pulse of Europe“ hat die Initiatoren selbst überrascht. Gründer Daniel Röder erzählt, warum es lohnt, sich für Europa stark zu machen.
„Die Bewegung ,Pulse of Europe‘ haben meine Frau und ich gegründet. Zwei Ereignisse haben das ausgelöst: der ,Brexit‘ und die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten. Da haben wir uns gesagt: Jetzt müssen wir rausgehen auf die Straße. Wir müssen sichtbar werden. Wir müssen in Europa den nächsten Schritt in diese Richtung unbedingt verhindern!
Das war ganz intuitiv; wir arbeiten als Juristen, hatten noch nie demonstriert, waren nie in einer Partei Mitglied; ich wüsste auch gar nicht, in welche ich eintreten sollte. Also haben wir Ende November 2016 einfach eine E-Mail an unseren Bekanntenkreis verschickt; mit der Einladung zu einer ersten Versammlung im Europaviertel in Frankfurt am Main. Der Termin war schlecht gewählt: Es war der 1. Advent. Auch die Uhrzeit war nicht gut: 16 Uhr, da war es schon dunkel. Und dann nieselte es auch noch. Trotzdem kamen 200 Leute. Das hat uns bestärkt. Also haben wir ein Organisationsteam gegründet und gehen seit dem 15. Januar 2017 jeden Sonntag auf die Straße. Dass die Bewegung so schnell so groß würde, damit hatten wir nicht gerechnet!
Den Schweigenden ein Gesicht geben
Unsere Idee ist, der schweigenden Mehrheit ein Gesicht zu geben. Wir sind überzeugt davon, dass die meisten Deutschen ein vereintes Europa wollen, ein demokratisches Europa, ein rechtstaatliches, mitmenschliches, tolerantes Europa. Das ist allerdings etwas, für das wir uns anstrengen müssen. Es ist nicht mehr selbstverständlich. Uns ist wichtig, dass wir für etwas auf die Straße gehen, nicht gegen etwas. Diese positive Kraft bewirkt etwas bei den Menschen. Ich habe auf unseren Demonstrationen viele Leute schon mit Tränen in den Augen gesehen. Viele haben mir gesagt: Das Gemeinschaftserlebnis hat eine ganz große Bedeutung für mich. Sichtbar werden, hörbar werden, zeigen: Uns gibt es auch noch.
Mit ,Pulse of Europe‘ wollen wir etwas Unkompliziertes machen, etwas, bei dem man sofort das Ergebnis sieht. Wir haben zwei Ziele. Erstens: Den Menschen zeigen, dass sie nicht allein sind. Zweitens: Politikern zeigen, dass uns europäische Politik wichtig ist. Wir machen das jetzt seit gut zwei Monaten. Inzwischen haben sich ,Pulse of Europe‘-Ableger in mehr als 60 Städten gegründet, und es werden immer noch mehr! Und nicht nur in Deutschland, auch in mehreren Städten in Frankreich, darunter Paris; dann in Amsterdam, in Brüssel, sogar im englischen Bath. Zusammen waren vergangenen Sonntag mehr als 30.000 Leute für ,Pulse of Europe‘ auf der Straße.
Europathemen und Menschenkette
Die Kundgebungen laufen in den meisten Städten ähnlich ab. Bei uns in Frankfurt ist es typischerweise so, dass Leute aus unserem Team am Anfang ein paar Worte zu aktuellen europäischen Themen sagen. Danach gibt es ein offenes Mikrofon, wo Demonstrationsteilnehmer sagen, was sie bewegt. Manchmal gibt es Demonstrationszüge zu einem bestimmten Ort. Einmal waren wir zum Beispiel an der Paulskirche, einem symbolträchtigen Ort für die deutsche Demokratie. Hier trat 1848 die erste frei gewählte deutsche Volksvertretung zusammen. Ein anderes Mal sind wir unter dem Motto ,An die Freude‘ zum Beethoven-Denkmal und an Schiller vorbei gezogen. Abschließend bilden wir immer eine Menschenkette.
Wie wir weitermachen? Am Anfang wollten wir erst mal nur bis zur Niederlande-Wahl wöchentlich demonstrieren. Jetzt machen wir weiter bis zum 7. Mai 2017; da wählt Frankreich. Und danach müssen wir mal sehen. Wir können nicht über Jahre wöchentlich rausgehen. Eines ist aber klar: ,Pulse of Europe‘ wird weiter bestehen.“
Protokoll: Friederike Haupt