Eine Chance zur Annäherung
Der EU-CELAC-Gipfel bietet Europa und Lateinamerika die Möglichkeit, wieder aufeinander zuzugehen.
Wer trifft sich auf dem EU-CELAC-GIPFEL am 17. und 18. Juli 2023 in Brüssel?
Die Regierungen der 33 Mitglieder des CELAC-Forums treffen sich mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Union. CELAC – Spanisch für: „Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños“ – ist ein regionaler Verband lateinamerikanischer und karibischer Länder und gilt als einer der wichtigsten Akteure für politische Debatten in der Region. Die Gemeinschaft besteht aus allen souveränen Staaten Amerikas außer Kanada und den Vereinigten Staaten und eint eine Gesamtbevölkerung von mehr als 550 Millionen Menschen auf einer Fläche von mehr als 20 Millionen Quadratkilometern. Entstanden ist sie 2010 in Mexiko mit dem Ziel, den Kolonialismus zurückzudrängen, den Einfluss der USA in der Region einzudämmen, soziale Ungleichheiten zu verringern, die Süd-Süd-Kooperation zu stärken und größere Mitspracherechte bei internationalen Fragen zu erlangen. Im Jahr 2011 trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter der CELAC-Staaten mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Europa beim ersten EU-CELAC-Gipfel, das jüngste Treffen fand 2015 statt. 2017 verhinderten Streitigkeiten über die Teilnahme Venezuelas den Gipfel, danach stand die Corona-Pandemie im Weg. „Es ist ein gutes Zeichen, dass man sich wieder trifft“, urteilt Detlef Nolte, ehemaliger Präsident des GIGA-Instituts für Lateinamerikaforschung und Experte für die Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa.
Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf den Gipfel?
Durch den Krieg in der Ukraine entwickelt Europa ein neues Interesse an Lateinamerika, das unter anderem über Rohstoffe verfügt, die bisher aus Russland bezogen wurden. Europa ist momentan weltweit auf der Suche nach neuen Partnern. Politisch sprechen sich die meisten CELAC-Länder gegen den Angriffskrieg Russlands aus, Sanktionen allerdings hat bislang keines verhängt. „Europa sieht Lateinamerika als natürlichen Partner für die eigene strategische Autonomie. Auf der anderen Seite wird in Lateinamerika ein aktives ‚Non-Alignment‘, also eine Blockfreiheit, propagiert, was einer strategischen Allianz mit Europa im Weg steht”, so Detlef Nolte. Wirtschaftlich sieht der Experte gute Chancen für eine engere Verbindung: „Im Zusammenhang mit der Energiewende ist Lateinamerika für die EU besonders interessant, da die Region wegen ihres Reichtums an Sonne und Wind weltweit als vielversprechend für die Gewinnung von grünem Wasserstoff gilt.“ Dessen Produktion rechnet sich nur bei einem garantierten Absatzmarkt, wie etwa dem europäischen.
Welche Themen stehen beim EU-CELAC-Gipfel im Fokus?
Insgesamt dürfte das Treffen von einer vorsichtigen Annäherung nach einer Phase der gegenläufigen Entwicklungen geprägt sein. Durch den Regierungswechsel in Brasilien und den Amtsantritt von Lula Luis Inácio da Silva ergeben sich neue Chancen für eine Vertiefung der Zusammenarbeit beim Schutz des Amazonas-Regenwaldes und in der Klimakrise. Unter Vorgänger Jair Bolsonaro hatte das Land das CELAC-Forum vorübergehend verlassen. Auch wirtschaftliche Übereinkünfte dürften Thema sein, umso mehr, als China Europa seit 2010 als wichtigster Handelspartner der CELAC-Länder den Rang abgelaufen hat. Konkret stehen drei wichtige Abkommen vor der Unterzeichnung: das Chile-Abkommen (es geht um die Modernisierung des EU-Chile Association Agreement, über die seit 2017 verhandelt wird), das Mexiko-Abkommen (bereits seit April 2018 besteht eine grundsätzliche Einigung über die Modernisierung des EU-Mexico Global Agreement aus dem Jahr 1997, die im April 2020 ergänzt, aber bislang nicht unterzeichnet wurde) sowie um das Abkommen zwischen EU und Mercosur. „Auch wenn keiner dieser Verträge während des Gipfels signiert wird, sollte über alle drei unbedingt bis Ende 2023 entschieden werden“, so Detlef Nolte. China könne der EU ansonsten zuvorkommen – und damit deren Einflussmöglichkeiten stark einschränken.
Welche Hindernisse sind bei der Zusammenarbeit zu überwinden?
Die Interessen und Potenziale der CELAC-Mitgliedsstaaten – von der soliden Wirtschaftsmacht Brasilien bis hin zu Kleinststaaten wie Grenada oder Dominica im karibischen Raum – sind höchst unterschiedlich und oft schwer zu bündeln. Abschlusserklärungen führen nicht immer zu konkreten Aktionen. Manchen Mitgliedsstaaten wird von anderen die Missachtung von Menschenrechten oder demokratischen Grundsätzen vorgeworfen. Anfang 2023 trafen sich erstmals alle Vertreterinnen und -vertreter der CELAC-Staaten in Buenos Aires. Sie forderten mehr finanzielle Unterstützung für die Region, um Auswirkungen der Wirtschafts- und Klimakrise, der Pandemie und des Krieges in der Ukraine entgegenzuwirken.
Welche konkreten Ergebnisse sind zu erwarten?
„Es sollten sich keine übersteigerten Hoffnungen mit dem Treffen verbinden“, warnt Detlef Nolte. Immerhin handelt es sich bei CELAC um ein Forum, das viel weniger verbindlich ist als die Partnerschaft innerhalb der EU. Mittelfristig müsse die EU ausloten, welche Länder sich stärker ihr gegenüber engagieren und ein ähnliches Demokratieverständnis mit der Achtung der Menschenrechte verbinden – und die Zusammenarbeit dann auf diese konzentrieren.