Innovative Konzepte gegen Radikalisierung
Europäische Partner entwickeln gemeinsam Ideen zur Prävention von Radikalisierung und Terrorismus.
Terrorismus, Radikalismus, Extremismus – fielen diese Wörter vor einigen Jahren, ging es in Deutschland in der Regel um rechts- oder linksradikale Vereinigungen. Inzwischen werden die Begriffe auch mit dem radikalen Islamismus in Verbindung gebracht.
Die Anschläge auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und auf eine Synagoge in Kopenhagen Anfang 2015 haben einmal mehr deutlich gemacht, wie dringend tragfähige Konzepte nötig sind, um Radikalisierung vorzubeugen – in den einzelnen EU-Ländern und über ihre Grenzen hinweg. Denn der radikale Islamismus ist ein globales Phänomen geworden. Er entwickelt sich in kürzester Zeit weiter, spricht immer mehr jüngere Menschen an und nutzt alle Möglichkeiten der vernetzten Welt.
Allein in Deutschland zählen dem Verfassungsschutz zufolge rund 6300 Menschen zur radikalislamischen Salafistenszene – angezogen auch von einer jugendgerechten Internetpropaganda, die Gewalt ästhetisiert, sozialen Zusammenhalt verspricht und Kämpfer zu Helden stilisiert. Von den rund 600 Kämpfern, die von Deutschland aus bislang zur Unterstützung der Terrororganisation „Islamischer Staat“ nach Syrien und in den Irak gereist sind, kehrten inzwischen etwa 200 zurück. Die Behörden vermuten zudem eine hohe Zahl von nicht entdeckten Ausreisen. Auf rechtlicher Ebene reagierte die Bundesregierung Anfang Februar 2015 mit einem neuen Gesetz, um Anschläge radikaler Islamisten zu verhindern. Wer aus Deutschland ausreist, um sich in ein terroristisches Ausbildungslager zu begeben, macht sich demnach künftig strafbar. Daneben sollen auch gesellschaftspolitische Maßnahmen Wirkung zeigen, die das Problem an der Wurzel packen – also dort, wo Radikalismus seinen Nährboden findet.
Das unterstützen auch Vertreter von Städten und Kommunen. „Wir müssen unbedingt Strategien zur frühen Erkennung und Vorbeugung von Radikalisierung entwickeln“, sagt Tanja Schwarzer, Leiterin des Kriminalpräventiven Rates der Stadt Düsseldorf. Polizei, Ämter, Schulen, aber auch gesellschaftlich aktive Vereine – sie alle bringen in dem Rat ihre Erfahrungen, Ideen und Handlungsmöglichkeiten gegen Gewalttaten ein. Zukünftig werden die dort ausgetauschten Ideen gegen Gewalttaten und Kriminalität auch in das EU-geförderte Projekt Liaise (Local initiatives against extremism) einfließen, dem Düsseldorf im Oktober 2014 als Partner beigetreten ist.
Ins Leben gerufen wurde Liaise vom Europäischen Forum für urbane Sicherheit (Efus). Regionalvertreter und Experten sollen das Projekt als grenzüberschreitende Plattform nutzen und sich so leichter europaweit austauschen können. Am Ende der zweijährigen Projektphase wollen sie gemeinsam einen Ratgeber verfassen, der den Behörden als Leitfaden zur frühzeitigen Erkennung und Bekämpfung von Radikalisierung dienen soll. Eines, sagt Schwarzer, hätten die Partner bei ihrem ersten Treffen 2014 in Paris schon als zentralen Schwerpunkt ausgemacht: „Großes Ziel der teilnehmenden Städte, zu denen unter anderen Düsseldorf, Brüssel und Malmö zählen, ist es, neben Strategien zur frühen Erkennung von Radikalisierung auch Wege zu finden, wie gefährdeten jungen Menschen Alternativen aufgezeigt werden können.“
Die Dringlichkeit dieses Ansatzes liegt auf der Hand. Denn viele der islamistischen Gewalttäter stammen Untersuchungen des Bundesverfassungsschutzes zufolge aus benachteiligten gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie kaum Anerkennung oder Erfolg erfahren – und keine Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen.
Bei diesem Problem setzt auch das 2015 gestartete Bundesprogramm „Demokratie leben!“ an. 40,5 Millionen Euro, mehr Geld als je zuvor, investiert das Bundesfamilienministerium damit in regionale Netzwerke, Beratungsstellen, Modellprojekte und Fachkonferenzen, deren Fokus auf der Extremismusprävention und Demokratieförderung liegt. Unterstützt werden damit unter anderem Angebote zur Arbeit mit den Eltern betroffener junger Menschen und Trainings mit politisch oder religiös motivierten jugendlichen Gewalttätern.
Die Stadt Düsseldorf könnte für einige der geplanten Initiativen gute Vorbilder bereithalten. Dort haben sich schon mehrere innovative Konzepte als erfolgreich erwiesen – zum Beispiel die Fortbildungsreihe „Imame zu Demokratiebotschaftern“. Das Projekt entwickelten die Landeszentrale für politische Bildung, das Polizeipräsidium in Düsseldorf und die Deutsch-Islamische-Moschee-Stiftung, nachdem einige Imame der Düsseldorfer Polizei eine Zusammenarbeit vorgeschlagen hatten. Nun bilden Beamte muslimische Religionsgelehrte zu Ansprechpartnern aus, die demokratische Werte sachlich und fundiert vermitteln können. „Im Gegensatz zur Polizei und vielen anderen Einrichtungen sind interessierte und engagierte Imame an der Stelle, wo diese Art der Präventionsarbeit möglich ist“, sagt Carmen Teixeira von der Landeszentrale für politische Bildung in Nordrhein-Westfalen. Die Arbeit habe sich bereits gelohnt. Unterstützung, so Teixeira, bräuchten die Imame dabei dennoch – nicht nur von der eigenen Gemeinde, sondern von der Gesellschaft, in der sie leben.