Kämpferin für ein minenfreies Simbabwe
Als Minenräumerin hat Rosemary Chigariro einen gefährlichen Job. Doch mit dieser Arbeit verhilft sie den Menschen in Simbabwe zu mehr Sicherheit.
Ein typischer Arbeitstag von Rosemary Chigariro beginnt mit akribischer Vorbereitung. Hochkonzentriert informiert sich die 31-Jährige über das Stück Land, das sie gleich begehen wird: Wie ist der Boden beschaffen, welche Risiken und Gefahren gibt es, wie genau gehen sie und ihr Team vor, wie kommunizieren sie miteinander? Als Nächstes zieht Chigariro ihre Arbeitskleidung an – Visier, ballistische Schutzweste, Handschuhe, kniehohe Stiefel – und greift zu ihrer Ausrüstung: Metalldetektor, Entschärfungswerkzeuge, Kommunikationsausrüstung, Erste-Hilfe-Material. Dann macht sie sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen auf den Weg zum Einsatzort. Von jetzt an ist sie über mehrere Stunden hinweg fokussiert – und höchst vorsichtig. Minutiös untersucht sie mit ihrem Detektor Meter für Meter den Boden nach Landminen.
Seit elf Jahren arbeitet Rosemary Chigariro in ihrem Heimatland Simbabwe für die Organisation Norwegian People’s Aid (NPA) als Minenräumerin. NPA wird dabei auch von Deutschland unterstützt. Die Arbeit von Chigariro und ihren Kolleginnen und Kollegen erfordert große Geduld, viel Disziplin und sie ist anstrengend. Mindestens zehn Kilogramm wiegt allein ihre Ausrüstung. Außerdem ist das Minenräumen gefährlich – jederzeit könnte eine Landmine explodieren. Doch Chigariro weiß, wie wichtig ihr Job für das Land und die Menschen in Simbabwe ist.
Große Gefahren durch Minenfelder
Bis heute hinterlässt der Unabhängigkeitskrieg Simbabwes in den 1970er-Jahren katastrophale Spuren entlang der Grenze zu Mosambik. In diesem Gebiet erstreckt sich laut der Stiftung „Welt ohne Minen“ einer der dichtesten Minengürtel der Welt. Diese Minenfelder wurden oft direkt neben Wohnhäusern, Schulen, Krankenhäusern und durch landwirtschaftlich genutzten Boden verlegt. Der Weg zum Brunnen, zum nächsten Krankenhaus oder zur Schule ist gefährlich, fruchtbares Land kann nicht bewirtschaftet werden, Kinder riskieren beim Spielen ihr Leben.
Deutschlands Engagement für eine Welt ohne Minen
Deutschland setzt sich in Simbabwe und vielen weiteren Ländern für das gemeinsame Ziel einer minenfreien Welt ein. Im April 2024 veröffentlichte das Auswärtige Amt seine neue Strategie (2024 bis 2028) für humanitäres Minen- und Kampfmittelräumen. Deutschland gestaltet die internationale Agenda aktiv mit. 2023 förderte das Auswärtige Amt in 15 Staaten Länder- und Regionalprojekte sowie mehrere Globalprojekte im Kapazitätsaufbau und in der Beratung nationaler Stellen, in der Strategieentwicklung und Werbung für internationale Standardsetzung. Mit einem Engagement von 70 Millionen Euro war Deutschland 2023, wie auch in den vorherigen Jahren, zweitgrößter bilateraler Geber für humanitäres Minen- und Kampfmittelräumen weltweit und hatte 2023 zudem den Vorsitz der Ottawa-Konvention inne.
Ottawa-Konvention: Minenfreies Simbabwe bis 2025
Bis 2025 sollen Simbabwe und 163 weitere Länder minenfrei sein – so sieht es die Ottawa-Konvention vor, ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 164 Staaten zum Verbot von Antipersonenminen. In Simbabwe engagieren sich vier internationale Nichtregierungsorganisationen für das „Mine Action Programme“ der simbabwischen Minenräumbehörde ZIMAC. Eine davon ist NPA – die Organisation, für die Rosemary Chigariro arbeitet. Seit 2012 räumt NPA in Simbabwe Minen. Durch den Einsatz Rosemarys und der anderen Minenräumenden wurden in Simbabwe laut dem Mine Action Review im Jahr 2022 mehr als 31.000 Minen zerstört.
„Wir erhalten viel Anerkennung von den Menschen, die in der Nähe unserer Einsatzorte wohnen“, erzählt Rosemary, die bei NPA ein Team von zehn Personen leitet. „Sie leben nach der Freigabe geräumter Flächen wieder in Freiheit, können ihre Felder bewirtschaften, haben dadurch Nahrung und ein Einkommen.“ Dass ihr Job hochgefährlich ist, hielt sie 2013 nicht davon ab, sich bei NPA zu bewerben. „Ich lebte damals von Gelegenheitsjobs und sah auf einem Werbeplakat, dass NPA nach Leuten suchte, die sich zum Minenräumer ausbilden lassen wollten“, erinnert sie sich. Sie bewarb sich, wurde zu Gesprächen eingeladen und bestand mehrere Fitnesstests. „Ich war eine der Besten und wurde direkt genommen“, sagt sie stolz. Nach einer anschließenden Ausbildung war sie Teil des ersten Räumteams, das im Burma Valley an der Grenze von Simbabwe und Mosambik eingesetzt wurde. „Ich war nicht nur die erste Frau, sondern auch die Jüngste im Team“, erinnert sie sich.
Neue Perspektiven nach der Minenräumung
Nachdem 2015 die Räumung des Minenfeldes in dem Tal abgeschlossen war, verteilte das Ministerium für Landwirtschaft drei Hektar geräumtes Land an Bäuerinnen und Bauern und unterstützte sie finanziell bei ihrer Arbeit. Heute können Kinder in dem geräumten Gebiet gefahrenlos zur Schule gehen, Patienten und ihre Familien können ohne Risiko das nächstgelegene Krankenhaus aufsuchen, ein Gemeinschaftsbrunnen, der sich zuvor in einem Minenfeld befand, wird nun sicher genutzt.
Beispiele wie das von Burma Valley zeigen, welch großen Einfluss die Arbeit von Chigariro und ihren Kollegen auf das Leben der Menschen hat: Abgesehen von einer größeren Sicherheit trägt sie zu weniger Armut, mehr Ernährungssicherheit und einem besseren Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdiensten bei.
Neben der Minenräumung unterstützt Rosemarys Arbeitgeber NPA die simbabwische Minenräumbehörde ZIMAC auch dabei, eine umfassende Strategie für das Risikomanagement von Restverschmutzung durch Minen zu erarbeiten und eine Meldestelle für Risikofälle aufzubauen. Diese Arbeit ist Teil eines durch das deutsche Auswärtige Amt geförderten Projekts.
300 Kilometer sind es, die Rosemary von ihrem Mann und den beiden Söhnen trennen, wenn sie wieder für drei Wochen zu einem Minenräumeinsatz an die Grenze zu Mosambik aufbricht. „Anfangs war meine Familie besorgt, dass mir etwas zustoßen könnte. Aber mein Mann hat selbst als Minenräumer gearbeitet und kann die Gefahren gut einschätzen.“ Rosemary blickt pragmatisch auf die Risiken ihrer Arbeit: „Wenn man alle Regeln befolgt, kann eigentlich nichts passieren.“ Ein Job wie jeder andere sei es trotzdem nicht. „Unsere Arbeit hat einen wichtigen Impact für Simbabwe und die Menschen. Das gibt mir ein wirklich gutes Gefühl.“