Erste Ergebnisse der Indo-Pazifik-Initiative
Deutschland und die EU sehen den Indo-Pazifik als strategisch wichtige Partnerregion. Wie sich die Regionen näher kommen, schildert Asien-Experte Hanns Günther Hilpert.
Fünf Fragen zur Indo-Pazifik-Initiative an Dr. Hanns Günther Hilpert, Asien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Herr Hilpert, seit 2020 gibt es die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung, seit 2021 eine Indo-Pazifik-Strategie der Europäischen Union. Vorneweg: Wie würden Sie „Indo-Pazifik“ geografisch eingrenzen?
Der Indo-Pazifik ist ein geografischer und strategischer Bezugsrahmen, der in offiziellen Dokumenten und nationalen Sicherheitsstrategien ganz unterschiedlich verwendet wird. Drei Elemente sind für das Verständnis des Indo-Pazifik allen Konzepten gemeinsam und wichtig. Erstens sind der Indische und der Pazifische Ozean wegen ihrer Bedeutung für den globalen Seeverkehr und die Weltwirtschaft als ein zusammenhängender Raum zu verstehen. Zweitens ist der Indo-Pazifik der Schauplatz der geopolitischen Rivalität zwischen Amerika und China. Und drittens gilt der Indo-Pazifik als der ordnungspolitische und strategische Gegenentwurf zur Belt-and-Road-Initiative Chinas.
Ein Ziel der Indo-Pazifik-Strategie ist es zu „diversifizieren“, das heißt, die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Was ist auf politischer Ebene bisher passiert?
Die in den Leitlinien der Bundesregierung zum Indo-Pazifik und in der Indo-Pazifik-Strategie der EU offiziell bekundete Bereitschaft zu einem stärkeren politischen Engagement in der Region hat in der Tat zu ersten Ergebnissen geführt. Herauszuheben sind die Aufwertung der EU-ASEAN-Beziehung zu einer strategischen Partnerschaft, die Aufnahme sicherheitspolitischer Konsultationen Deutschlands mit Japan und Australien, die symbolstarke Ausbildungs- und Präsenzfahrt der Fregatte Bayern in Asien, die Eröffnung eines regionalen Deutschlandzentrums des Auswärtigen Amts in Singapur und die Vereinbarung eines EU-ASEAN Luftverkehrsabkommens. Die Verhandlungen der EU für ein Freihandelsabkommen mit Australien, Neuseeland und Indonesien beziehungsweise für eine Modernisierung des Abkommens mit Chile sind indes noch nicht abgeschlossen.
Durch den Angriffskrieg Putins in der Ukraine haben die Initiativen mit Asien eine ganz neue Bedeutung bekommen. Haben sich auch die wirtschaftlichen Beziehungen schon verändert?
Es ist jetzt – im April 2022 – definitiv noch zu früh für eine solide Beurteilung der Konsequenzen des Ukraine-Krieges für Handel und Wirtschaft in der Indo-Pazifischen Region. Richtungsweisende Entwicklungen und Perspektivwechsel sind aber unübersehbar. Zunächst einmal ist festzustellen, dass auch in der Indo-Pazifischen Region alle Länder kurzfristig von Lieferkettenausfällen und gestiegenen Preisen für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel, mittelfristig von einer abschwächenden Konjunktur betroffen sind. Japan, Korea, Taiwan, Singapur, Australien und Neuseeland haben sich den internationalen Russland-Sanktionen angeschlossen. Zudem dürfte in den Ländern Süd- und Südostasiens, die traditionell zu den wichtigsten Importeuren russischer Waffen zählen, aus unterschiedlichen Gründen die Skepsis gegenüber diesem Lieferanten gestiegen sein. Andererseits hat Chinas dezidiert pro-russische Neutralität deutschen und europäischen Unternehmen deutlich vor Augen geführt, dass eine übermäßige Verwundbarkeit gegenüber China existenzbedrohend sein kann.
Im Hintergrund schwelt der China-Taiwan-Konflikt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Westens wäre im Fall der Fälle ungleich höher als von Russland …
Richtig. China ist Deutschlands größter Handelspartner. Zwar ist Deutschlands Außenhandel insgesamt breit diversifiziert, aber es bestehen bereichsweise große Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten. So dominiert China in seiner Funktion als Lieferquelle die Weltmärkte etwa bei elektronischen Komponenten, bei Arzneimittelgrundstoffen und einigen Metallen wie Graphit, Magnesium, Seltene Erden. Deutschlands 30 größte DAX-Unternehmen erwirtschaften im Durchschnitt 18 Prozent ihres Umsatzes in China, einige davon deutlich mehr, beispielsweise die Automobilhersteller und BASF. Entsprechend groß ist die Abhängigkeit vom chinesischen Absatzmarkt. Zudem bestehen oder drohen technologische Abhängigkeiten, etwa bei der Verhüttung seltener Erden, in der Kommunikationstechnologie und der Künstlichen Intelligenz. Partei und Staat Chinas nutzen derlei wirtschaftliche Abhängigkeiten des Auslandes, um ihre wirtschaftlichen und politischen Ziele durchzusetzen.
Würde eine wie auch immer geartete Aggression Chinas Richtung Taiwan das Ende der Globalisierung bedeuten? Es ist ja schon die Rede davon, Stichwort „Decoupling“.
Die Prärogative der nationalen Sicherheit erfordert heute schon ein gewisses Decoupling von China. Zudem strebt China schon selbst im Rahmen seiner Strategie der dualen Kreisläufe nach stärkerer nationaler wirtschaftlicher Autonomie. Sollte China versuchen, sich Taiwan mit ökonomisch-politischen Zwang oder gar militärischer Gewalt einzuverleiben, werden die USA und ihre Verbündeten in Europa und Asien ihre wirtschaftlichen Verbindungen zu China wahrscheinlich drastisch herunterfahren. Das wird aber nicht das Ende der Globalisierung bedeuten. Schon die Mehrzahl der Drittstaaten wird sich nicht darauf einlassen, sich in ihren wirtschaftlichen Außenbeziehungen zwischen China und Amerika auf eine Seite festzulegen. Vor allem aber ist der ökonomische Nutzen von Handel und Arbeitsteilung generell viel zu groß, als dass ein Rückzug in Autarkie oder auch nur regionale Wirtschaftsverbünde rational in Erwägung gezogen werden könnte. Zu erwarten ist aber, dass das Streben nach Resilienz und Sicherheitserwägungen die internationale Wirtschaft nochmals stärker prägen werden.