Europäische Kooperation für die Energiewende
Die Europäische Union setzt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Gemeinsame Projekte der Mitgliedsländer und eine enge Zusammenarbeit sind dabei entscheidend.

Die Energiewende gilt als Schlüsselfaktor für eine klimaresiliente Zukunft. Nur mit dem raschen Umstieg der Energieversorgung auf erneuerbare Energien lassen sich die Folgen des Klimawandels eindämmen, zeigen aktuelle Szenarien der Internationalen Energieagentur (IEA). Die Europäische Union hat dies zur Grundlage ihrer Energie- und Klimapolitik gemacht und will Europa bis spätestens 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Ausbau von Windrädern und Solaranlagen enorm beschleunigt werden. Erforderlich ist aber auch der Bau neuer Stromnetze sowie Terminals, Häfen und Pipelines für den Markthochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Da die EU einen gemeinsamen Markt darstellt, und es sich vielfach um grenzüberschreitende Projekte handelt, ist die Zusammenarbeit der 27 Mitgliedstaaten unerlässlich.

Kooperation mit Frankreich
Besonders der Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland kommt eine entscheidende Rolle zu. Sie gilt als Herz und Motor der europäischen Zusammenarbeit. Beide Länder verfolgen zwar unterschiedliche nationale Energiestrategien. Frankreich setzt stark auf die Kernenergie, während Deutschland jüngst den Atomausstieg vollzogen und seine letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet hat. Einem engen Dialog in Energiefragen stehen diese Unterschiede aber nicht entgegen. Bei dem regelmäßig stattfindenden Deutsch-Französischen Energieforum beispielsweise diskutieren Fachleute und Entscheidungsträgerinnen und -träger aus beiden Ländern, wie das zentrale Projekt einer gemeinsamen europäischen Energiewende am besten gelingt. Das Gesprächsformat wurde bereits 2006 durch die Regierungen Deutschlands und Frankreichs gegründet.
„Die Energiewende ist ein Projekt, das Auswirkungen auf alle wirtschaftlichen und sozialen Belange unserer Welt hat und nicht im Alleingang verwirklicht werden kann“, sagt Sven Rösner, Geschäftsführer des Deutsch-Französischen Büros für die Energiewende. Die Informations- und Netzwerkplattform organisiert das Energieforum gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem französischen Ministerium für den energetischen Wandel.
Letzter Baustein: Wasserstoff
Das jüngste Treffen im Oktober 2023 war dem Thema Wasserstoff gewidmet. „Wasserstoff ist der noch fehlende Baustein der Energiewende“, sagt Rösner. Er soll – in möglichst CO2-armer Form – in Zukunft in den Bereichen eingesetzt werden, die nur sehr schwer zu elektrifizieren sind, wie etwa in der Schwerindustrie. Bislang befindet sich die Wasserstoffwirtschaft noch in einem sehr frühen Stadium. Die EU sowie 16 Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Deutschland, haben bereits eigene Wasserstoffstrategien beschlossen, um den Markthochlauf zu beschleunigen. Frankreich will bis 2030 neun Milliarden Euro investieren. Deutschland hat gerade den Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes beschlossen, das 9.700 Kilometer umfassen soll. Das gemeinsame Ziel: Europa zu einem führenden Kontinent für die ganze Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu machen.
Konkrete grenzüberschreitende Projekte sind bereits in Planung. So soll etwa im Großraum Saarland-Lothringen-Luxemburg ein großes Wasserstoff-Netzwerk entstehen. Zwischen Barcelona und Marseille ist eine Wasserstoff-Pipeline geplant, auch eine Anbindung Deutschlands an das Projekt ist vorgesehen.

Anteil Grüner Energie bis 2030 verdoppeln
Bis 2030 will die Europäische Union den Anteil erneuerbarer Energien gegenüber heute fast verdoppeln. Dafür muss das Ausbautempo für neue Windkraft- und Solaranlagen deutlich steigen. Auch beim Bau neuer Hochspannungsleitungen ist eine Beschleunigung erforderlich, damit der grüne Strom zu den Verbrauchszentren transportiert werden kann. Mit der Westküstenleitung im Bundesland Schleswig-Holstein ist eines dieser wichtigen Projekte für die Energiewende in Europa kürzlich in Betrieb gegangen. Die 140 Kilometer lange Leitung verstärkt das grenzüberschreitende Stromsystem entlang der Westküste zwischen der Elbe und der dänischen Grenze. Der Leitgedanke lautet: „Lokales Netz stärken, Wind und Sonnenenergie einbinden, Versorgung sichern“. Bis 2025 soll die neue Freileitung mit einer Spannung von 380 Kilovolt auch an das Stromnetz in Dänemark angeschlossen werden. Ziel ist es unter anderem, die Übertragungskapazität zwischen Deutschland und Dänemark zu erhöhen.
Nach Angaben des Übertragungsnetzbetreibers Tennet, der die Leitung gebaut hat, können sich in der Region nun immer mehr Windräder drehen. Zuvor war das bestehende Stromnetz in Schleswig-Holstein bereits an seiner Belastungsgrenze. Weil in dem Bundesland oft mehr Windstrom produziert als verbraucht wird, mussten Windräder oftmals abgeschaltet werden, weil das Netz ihren Strom nicht aufnehmen konnte. Solche Abregelungen sind mit hohen Kosten verbunden. Durch die neue Westküstenleitung geht die Zahl der Abschaltungen laut Tennet mittlerweile zurück – ein Erfolg für das Gelingen der Energiewende.