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„Die Luftfahrt muss klimaneutral werden“

Catalina Elena Jiménez forscht in einem deutsch-südafrikanischen Projekt an grünem Kerosin. Im Interview erklärt sie den innovativen Ansatz. 

AutorinMiriam Hoffmeyer, 28.02.2024
Das deutsch-südafrikanische Projekt CARE-O-SENE forscht an nachhaltigen Flugzeugtreibstoffen.
Das deutsch-südafrikanische Projekt CARE-O-SENE forscht an nachhaltigen Flugzeugtreibstoffen. © pictureAlliance/dpa

Fliegen ist mit Abstand die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Laut Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft betragen die klimawirksamen Emissionen des Luftverkehrs weltweit etwa fünf Prozent. Sauberes Kerosin würde zu mehr Klimaschutz beitragen. Dr. Catalina Elena Jiménez ist ständige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB). Gemeinsam mit deutschen und südafrikanischen Partnern erforscht Jiménez Methoden zur Verbesserung von Katalysatoren, mit denen klimaneutrales Kerosin hergestellt wird.  

Catalina Elena Jiménez (rechts) mit einer Kollegin am Teilchenbeschleuniger BESSY II
Catalina Elena Jiménez (rechts) mit einer Kollegin am Teilchenbeschleuniger BESSY II © privat

Frau Dr. Jiménez, das deutsch-südafrikanische Forschungsprojekt CARE-O-SENE, kurz für Catalyst Research for Sustainable Kerosene, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über drei Jahre mit 30 Millionen Euro gefördert wird, ist Teil der Nationalen Wasserstoffstrategie. Was ist das Ziel des Projekts?

Die Luftfahrt muss klimaneutral werden. Fliegen ist die klimaschädlichste Art des Reisens und anders als bei Autos kann man den Treibstoff nicht durch einen Elektroantrieb ersetzen, weil die Batterien für Mittel- und Langstreckenflüge viel zu schwer wären. Eine praktikable Lösung ist Kerosin, das nicht aus Erdöl, sondern klimaneutral hergestellt wird. In unserem Projekt entwickeln wir Verfahren, um eine wirtschaftliche Produktion von nachhaltigem Kerosin in industriellem Maßstab zu ermöglichen. 

Die Luftfahrt muss klimaneutral werden.
Dr. Catalina Elena Jiménez , Helmholtz-Zentrum Berlin

Wie funktioniert die Herstellung von klimaneutralem Kerosin?

Wir nutzen ein chemisches Verfahren, das vor fast hundert Jahren in Deutschland erfunden wurde: die Fischer-Tropsch-Synthese. Dabei werden flüssige Kohlenwasserstoffe aus einem Synthesegas erzeugt, das aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff besteht. Klimaneutral ist das Produkt dann, wenn der Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde und wenn Kohlendioxid als Rohstoff für das Kohlenmonoxid verwendet wird, das schon in der Luft ist, zum Beispiel aus Industrieabgasen. Das funktioniert, ist aber noch sehr teuer. Wir wollen die Kerosin-Ausbeute der Fischer-Tropsch-Synthese, die bisher nur bei 50 bis 70 Prozent lag, bis 2025 auf über 80 Prozent erhöhen. Das wäre der Game Changer, der die Produktion von grünem Kerosin wirtschaftlich attraktiv machen würde. Es sieht ganz so aus, als würden wir dieses Ziel erreichen.

Bundeskanzler Olaf Scholz beim CARE-O-SENE-Launch
Bundeskanzler Olaf Scholz beim CARE-O-SENE-Launch © CARE-O-SENE

Wo setzt Ihre Forschung an?

Der Schlüssel, um die Prozesse effizienter zu machen, sind die Katalysatoren – so heißen Stoffe, die eine chemische Reaktion beeinflussen, aber dabei unverändert bleiben. Wir arbeiten an einer neuen Generation von Katalysatoren auf Kobaltbasis, die die Reaktion dramatisch beschleunigen. Ich leite Experimente im HZB-Teilchenbeschleuniger BESSY II in Berlin-Adlershof. Darin werden Elektronen auf sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigt, sodass hochbrillantes Röntgenlicht erzeugt wird. Wir können mit BESSY II Materialien sehr viel besser analysieren als mit anderen Geräten, das ist ungefähr wie High Definition TV im Vergleich zum analogen Fernsehen. Wir untersuchen, wie verschiedene Katalysatoren während des Betriebs genau funktionieren und was sich ändert, wenn sie beschichtet werden. Einer unserer Forschungsschwerpunkte am HZB sind innovative Dünnschicht-Katalysatoren, bei denen die Kobaltschicht nur aus wenigen Lagen von Atomen besteht. Diese Grundlagenforschung nutzen wir auch für die Arbeit in CARE-O-SENE. 

In Südafrika befindet sich die größte Fischer-Tropsch-Pilotanlage der Welt.
In Südafrika befindet sich die größte Fischer-Tropsch-Pilotanlage der Welt. © pictureAlliance/dpa

Neben dem HZB gehören weitere sechs Partner zu dem Projektkonsortium, die Leitung hat das südafrikanische Unternehmen Sasol. Wie sind die Aufgaben verteilt?

Sasol produziert seit Jahrzehnten flüssige Treibstoffe mit Fischer-Tropsch-Technologie und ist daher Spezialist für die industrielle Anwendung des Verfahrens. Wir arbeiten eng zusammen und ergänzen einander sehr gut. Die erste Generation der neuen Katalysatoren, die wir entwickelt haben, wurde schon in größeren Mengen produziert und in den Sasol-Anlagen in Südafrika erfolgreich getestet. Weitere Partner sind das Unternehmen INERATEC, das bei Frankfurt gerade eine erste kommerzielle Produktionsanlage für klimaneutrales Benzin baut, das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Universität Kapstadt. Promovierende der beiden Hochschulen untersuchen in Berlin unter meiner Leitung verschiedene Fragestellungen rund um Katalysatoren. Insgesamt sind am HZB etwa 30 Forschende an CARE-O-SENE beteiligt. Wenn ein Experiment es erfordert, lege ich auch mal eine Spät- oder Nachtschicht ein. Ich forsche inzwischen fast seit 20 Jahren in Berlin-Adlershof und finde es toll, dass die Arbeit nie zur Routine wird!

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Was hat Sie 2005 motiviert, nach Deutschland zu kommen?

Einer der führenden Wissenschaftler auf meinem damaligen Forschungsgebiet lehrte an der TU Berlin. Ich hatte das Glück, ein DAAD-Stipendium für einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt und danach eine Doktorandenstelle zu bekommen. Das Einleben fiel mir damals nicht leicht, schon wegen des Wetters. Aber heute sind meine Familie und ich in Deutschland genauso zuhause wie in Argentinien. Ich habe zwei Kinder. Was mich am stärksten motiviert, ist die Hoffnung, dass sich die globalen Probleme der Zukunft durch Forschung bewältigen lassen. Es ist schön, an einem Projekt mitzuarbeiten, das tatsächlich viel dazu beitragen kann.

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Die gebürtige Argentinierin Dr. Catalina Elena Jiménez studierte Physik an der Universität Buenos Aires und Materialwissenschaften am Instituto de Tecnología Sabato. 2009 wurde sie an der TU Berlin mit einer Arbeit über Metallschäume promoviert. In ihrer Forschungsarbeit untersucht sie Prozesse zur Energieumwandlung mithilfe von Röntgenspektroskopie.