Wie stellt man sich auf den Klimawandel ein?
Im Zuge der Klimakrise wird verstärkt die Anpassung an Extremwetterereignisse diskutiert. Expertinnen und Experten aus aller Welt trafen sich in Deutschland zum Austausch.
Der Weg zu einem der Spitzenforschungszentren für Klimawissenschaften weltweit führt recht steil nach oben. An einem sonnigen Tag im Mai ist eine Gruppe internationaler Gäste unterwegs zum renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das liegt auf dem immerhin 94 Meter hohen Telegraphenberg südöstlich der Innenstadt von Potsdam. Die direkte Busverbindung vom Bahnhof hat man leider verpasst, nun also die kleine Wandereinheit auf den letzten Metern. Oben empfangen Professor Fred Hattermann, stellvertretender Abteilungsleiter der Arbeitsgruppe Hydroklimatische Risiken im PIK, und seine Kollegin Dr. Thirza van Laar, Postdoc am PIK, die Gruppe vor einem imposanten Backsteinbau: ein ehemaliges astrophysikalisches Observatorium, dessen Räume das Institut inzwischen nutzt, wie Hattermann erklärt.
In den nächsten 60 Minuten sprechen Hattermann und van Laar über den Klimawandel und legen dar, mit welchen Maßnahmen sich Deutschland auf zunehmende Extremwetterereignisse einstellt. Denn genau deshalb sind die Teilnehmenden des Besucherprogramms der Bundesrepublik Deutschland aus 14 Ländern angereist: um zu erfahren, wie Klimaschutz hierzulande funktioniert und welche Erkenntnisse sie in ihre eigenen Länder mitnehmen können, um die Energiewende dort effektiv vorzutreiben. „Adapting to Climate Change in Germany“ heißt das Thema der einwöchigen Tour durch Deutschland.
Wertvoller Austausch auf operativer Ebene
Lina Y. H. Almobuideen, Projektmanagerin im jordanischen Energieministerium, ist überrascht, wie stark Deutschland bereits von klimawandelbedingten Dürren betroffen ist. „Was unternimmt Deutschland denn, um sein Trinkwasser zu schützen?“, möchte sie wissen. Hattermann gibt Entwarnung, aber nur halb. „Mit dem Trinkwasser haben wir noch kein Problem, aber um eine ausreichende Qualität zu gewährleisten, brauchen wir einen bestimmten Wasserzufluss, in der Region Berlin sind das rund acht Kubikmeter pro Sekunde.“ Das sei in Zukunft nur noch schwer einzuhalten, weshalb man darüber nachdenke, Wasser aus der Elbe umzuleiten. „Das ist natürlich politisch schwierig, denn dann heißt es sofort, wir nehmen einer anderen Region etwas weg. Aber über kurz oder lang kommt man ohne solche unpopulären Maßnahmen nicht aus.“ Hier kann Amritha Ganapathy, eine Architektin und Stadtplanerin aus Bengaluru, Indien, nur zustimmen. „Damit haben wir bei uns ständig zu tun. Was können Sie uns denn hier aus deutscher Sicht raten?“ Die Empfehlung Hattermanns: „Aus unsere Sicht am effektivsten ist es, die Sensibilität in der Gesellschaft für Klimathemen zu erhöhen. Wir sehen das, neben unserer Forschung, als eine der Hauptaufgaben unseres Instituts an.“
Viele der Klimaexpertinnen und -experten nehmen sich das natürlich längst zu Herzen, besonders wenn sie aus Regionen stammen, in denen der Klimawandel bereits heute eine existenzielle Bedrohung darstellt. Raj Kushaal Kirtesh ist Direktor für Pazifikpolitik bei Conservation International mit Sitz in Suva, Fidschi. Der Inselstaat etwa 2.000 Kilometer nördlich von Neuseeland droht im Meer zu versinken. Unermüdlich trifft sich Kirtesh mit politischen Entscheidern weltweit, um auf die schwierige Situation seines Heimatstaates hinzuweisen. Am Besucherprogramm findet er spannend, dass es den Kontakt zu Akteuren ermöglicht, die auf der operativen Ebene tätig sind. „Normalerweise habe ich nur mit relativ hochrangigen Politikerinnen und Politikern zu tun“, erklärt er. „Das ist natürlich sinnvoll, aber genauso wertvoll ist es, sich mit Praktikern sehr direkt über konkrete Maßnahmen austauschen zu können, und zwar ohne durchgetaktetes Protokoll. Genau das bietet die Themenreise hier in Deutschland.“ Vor dem Besuch in Potsdam hatten Kirtesh zusammen mit den anderen Teilnehmenden bereits die Gelegenheit, sich mit Vertreterinnen und Vertretern des Umweltbundesamts und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auszutauschen.
Besuch im Park Sanssouci
Von Hattermanns Kollegin Thirza van Laar erfahren die Besucherinnen und Besucher, wie es um den deutschen Wald steht. Kurz gesagt: nicht besonders gut. Die immer öfter auftretenden und immer länger anhaltenden Dürren setzen den Pflanzen schwer zu. Die Forscherin beschäftigt sich mit der Frage, wie man den Wäldern unter diesen Bedingungen zu mehr Resilienz verhelfen könne. „Das Problem sind Monokulturen, wie hier in Brandenburg“, erklärt van Laar. Diese gelte es zu vermeiden und nach und nach durch eine größere Vielfalt an Baumarten zu ersetzen. Eine in Deutschland durchaus anspruchsvolle Aufgabe. „Der Wald wurde hier lange vor allem als ökonomisches Gut gesehen“, erklärt sie. „Durch den großen Holzbedarf in der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg hat man vor allem auf schnell wachsende Monokulturen gesetzt und wenig Wert gelegt auf pflanzliche Vielfalt.“ Im Augenblick stehe lediglich ein Anteil von 3,5 Prozent des deutschen Waldes unter Schutz – was Jessica Christine Maes, eine Journalistin aus São Paulo, kaum fassen kann. In Brasilien liegt dieser Anteil bei rund 30 Prozent.
Einen schönen und zugleich bedrückenden Abschluss findet der Besuch in Potsdam im Park des Schlosses Sanssouci. Auf mehr als 750 Hektar Fläche stehen dort zahlreiche, teils majestätische Bäume, die inzwischen zu fast 80 Prozent vom Klimawandel betroffen sind. „Die durch Hitze, Trockenheit und Wetterextreme verursachten Schäden haben in den vergangenen Jahren rasant zugenommen und sind inzwischen mit dem bloßen Auge sichtbar“, berichtet Professor Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), „besonders trifft das die schönen und oft alten Bäume in den Parks“. Um die Öffentlichkeit und vor allem die politischen Entscheidungsträger zu sensibilisieren, wurde die Open-Air-Ausstellung „Re:Generation. Klimawandel im Grünen Welterbe – und was wir dagegen tun können“ konzipiert. Bei der Führung sah die Gruppe dann auch einige wunderschöne alte Bäume, denen es auf den ersten Blick gar nicht so schlecht zu gehen schien: Sie standen in voller Blüte. Doch das sei eigentlich ein schlechtes Zeichen, wie die Teilnehmenden von Sven Kerschek von der SPSG erfuhren, der durch die Ausstellung führte. „Die Bäume versuchen hektisch, sich zu vermehren. Das ist ein Kampf ums Überleben.“