Chancen für KI-Talente
Der KI-Standort Deutschland hat in dem wichtigen Zukunftsfeld Künstliche Intelligenz viel zu bieten – in der Wissenschaft und in den Unternehmen.
2019 lernte Richard Gao, Doktorand am Department of Cognitive Science der renommierten University of California San Diego, während einer Summerschool eine Gruppe deutscher Forscherinnen und Forscher aus Tübingen kennen. Der Teamleiter hielt einen Vortrag darüber, wie Künstliche Intelligenz für die neurowissenschaftliche Forschung eingesetzt werden kann. Gao war begeistert. Und als es darum ging, wo er seine Forschung als Postdoc fortsetzen könnte, entschied er sich schließlich für die kleine Universitätsstadt bei Stuttgart. „Tübingen hat schon seit einiger Zeit einen weltweiten Ruf als Topstandort für KI und Neurowissenschaft“, berichtet er.
Seit 2021 ist Gao nun Mitglied der Forschungsgruppe von Professor Jakob Macke zu „Machine Learning in Science“ am Tübingen AI Center. Der Verbund der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) ist Teil eines deutschlandweiten Netzwerks aus aktuell sechs KI-Forschungshotspots. Mit ihnen möchte die Bundesregierung im Rahmen ihrer KI-Strategie die internationale Strahlkraft deutscher KI-Forschung vorantreiben. Erklärtes Ziel ist es, KI-Fachkräfte aus der ganzen Welt für eine Karriere in Deutschland zu begeistern. Das gilt sowohl auf der Ebene von Professuren, hier sind 150 zusätzliche Stellen eingeplant, als auch für Studierende und Promovierende.
Toptalente aus dem Ausland
Das Tübinger KI-Zentrum ist inzwischen eine bekannte Adresse, es gilt als eines der europaweit stärksten Forschungscluster im Bereich Maschinelles Lernen: „Wir haben hier inzwischen eine ganze Reihe von sehr hochkarätigen Forscherinnen und Forschern, die von Topinstituten aus dem Ausland zu uns gekommen sind“, sagt Philipp Hennig, Professor für die Methoden des Maschinellen Lernens an der Universität Tübingen. „Das kann für manche der besten internationalen Studierenden, die es sich oft aussuchen können, an welche Spitzenuniversität sie gehen, ein Grund sein, zu uns zu kommen.“
Vielfältige KI-Forschung
Während das Tübinger AI Center seinen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung sogenannter robuster lernender Systeme legt, also solche Lernalgorithmen, die erfolgreich mit äußeren und unerwarteten Einflüssen umgehen, legen die weiteren fünf Kompetenzzentren ihren Fokus auf jeweils andere Teilaspekte der KI-Forschung. Am breitesten aufgestellt ist das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) mit seinen Standorten in Kaiserslautern, Saarbrücken, Bremen und Berlin. Forschende aus 60 Nationen arbeiten dort an verschiedensten Anwendungsfeldern von KI. Die Munich School of Robotics and Machine Intelligence (MSRM) nimmt sich die Themenfelder Arbeit, Gesundheit und Mobilität vor und erforscht neue Ansätze in der Mensch-Maschine-Interaktion.
Forscherinnen und Forscher am Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD) interessiert besonders die Frage, wie komplexe KI-Systeme transparenter designt werden können. „Das ist eine der Grundvoraussetzungen für das Maß an Vertrauen, das wir den Systemen entgegenbringen können und damit letztlich auch für den Erfolg der Technologie am Markt“, betont Dr. Jack Thoms, Leiter der BIFOLD-Geschäftsstelle. Das Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence Dresden/Leipzig (ScaDS.AI) konzentriert sich darauf, neue Rechner-Infrastrukturen zu schaffen, die Daten effizienter verarbeiten. Das sechste KI-Zentrum im Bunde, das LAMARR Institute am Fraunhofer Institute for Intelligent Analysis and Information Systems IAIS in Sankt Augustin bei Bonn, kümmert sich intensiv um Strategien des Forschungstranfers in Unternehmen.
KI in der Wirtschaft
Dazu leisten inzwischen auch immer mehr deutsche Unternehmen einen wichtigen Beitrag. So hat Bosch eine eigene Forschungsabteilung im Bereich KI aufgebaut. Rund 100 KI-Forschende arbeiten dort am Hauptstandort Reutlingen bei Stuttgart. „Wir fördern jedes Jahr rund 40 Doktorandinnen und Doktoranden an deutschen Universitäten. Sie forschen direkt bei uns und können unsere Ressourcen nutzen“, erklärt Dr. Michael Pfeiffer, Leiter der KI-Forschung bei Bosch. „Exzellente KI-Forschung braucht vor allem Rechenpower. Und in die investieren wir als Unternehmen massiv.“ Im Sinne einer KI-Fachkräftegewinnung zahle sich das aus. „Wir haben eine sehr hohe Quote an KI-Fachkräften, die nach der Promotion dann auch bei uns bleiben“, so Pfeiffer.
Mit seiner Investition in Ausbildung und Fachkräfte ist das Unternehmen nicht allein. Erst kürzlich wurde in Heilbronn der Innovationspark AI (Ipai) eröffnet. Dort soll mit Geldern des Lebensmittelunternehmens Schwarz-Gruppe eines der größten KI-Ökosysteme in Europa entstehen. Mit dabei: das KI-Start-up Aleph Alpha aus Heidelberg – eines der wenigen europäischen Unternehmen, das mit dem aktuell besten KI-Sprachmodell ChatGPT des US-Unternehmens OpenAI mithalten kann. Anders als die Konkurrenz arbeitet Aleph Alpha mit einem KI-System, dessen Resultate für Userinnen und User nachvollziehbar sind. Gerade für den Einsatz in der Breite kann eine solche Transparenz sich als echter Innovationsvorteil erweisen.
Auch das Kölner KI-Unternehmen DeepL hält mit der internationalen Konkurrenz mit. Sein KI-basierter Übersetzungsdienst gilt als leistungsstärker und präziser als Google Translate, der vergleichbare Service des US-Konzerns. Herausragende KI-Talente zu finden, fällt DeepL dabei nicht schwer. Man profitiere von einem enormen Fachkräftepotenzial vor der eigenen Haustür, so DeepL-CEO Dr. Jaroslaw Kutylowski. Allein 47 Hochschulen und 31 Forschungseinrichtungen mit rund 17.000 Informatikstudierenden weist der Großraum Köln auf. Und auch Aleph Alpha fühlt sich am Standort Heilbronn weiterhin sehr wohl. „Wir haben hier beste Voraussetzungen, uns auf der wissenschaftlichen Seite weiter zu stärken“, sagt Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis. Innerhalb der nächsten zwölf Monate will er die Zahl der Mitarbeitenden auf 120 verdoppeln.
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
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