Partner für Innovationen
Der traditionsreiche Industriestandort Deutschland und die Startup-Nation Israel haben Stärken, die sich bestens ergänzen.
Die deutsch-israelischen Wirtschaftsbeziehungen sind gut. Das bilaterale Handelsvolumen wächst kontinuierlich. Aber der Austausch ist momentan asymmetrisch: Während Israels Gütereinfuhren aus Deutschland im Jahr 2021 wieder zunahmen, kommen die israelischen Warenexporte nach Deutschland nicht in Fahrt. Im Außenhandel mit Deutschland (ohne Diamanten) registriert Israel sein zweitgrößtes Handelsdefizit. Dem steht allerdings ein Überschuss bei den Dienstleistungen gegenüber. Dazu trägt vor allem Israels Hightech-Stärke bei.
Zusammenarbeit bei großen Zukunftsthemen
Die Ziele der neuen Regierung in Berlin, die Wirtschaft und Umwelt in Einklang bringen will, werden die deutsch-israelische Kooperation weiter positiv beeinflussen, erwarten Geschäftsleute in Tel Aviv. „Megathemen wie grüner Wasserstoff und Digitalisierung haben große Relevanz auch gerade für das israelische Innovations-Ökosystem“, sagt Grisha Alroi, Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer AHK. Eine verstärkte Zusammenarbeit verspricht er sich in den Bereichen Digitalisierung, CO2-Reduzierung, nachhaltige Mobilität, Food-Tech, Agro-Tech und E-Health. Die Aufnahme Israels in das neue EU-Programm Horizont für Forschung und Innovation werde diese Entwicklung noch beschleunigen, erwartet Alroi. Israel biete sich zudem als „unkomplizierter, schneller, risikofreudiger und oft disruptiver Risikopartner an, der nur vier Flugstunden und eine Zeitzone entfernt ist.“
Um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen, sind viele deutsche Einrichtungen auch vor Ort. So hat im März 2020 das Büro des Landes Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Tel Aviv eine Vertretung mit vier Mitarbeitern eröffnet. Sie sollen die Aktivitäten des Landes in Israel „bündeln und neue Denkanstöße geben,“ sagt Gil Yaron, der das Büro leitet.
Nordrhein-Westfalen ist nicht das einzige Bundesland mit einer Vertretung in Israel. Die Bayerische Staatsregierung eröffnete bereits im Dezember 2017 in Tel Aviv eine Repräsentanz, die sich unter anderem um Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie kümmert. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben ihre Wirtschaftsvertretungen in der Auslandshandelskammer AHK angesiedelt. Die Länder Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen unterhalten ebenfalls dauernde Aktivitäten, haben aber keine festen Strukturen. Hamburg erwägt die Etablierung einer Wirtschaftsvertretung, ebenso andere Städte und Regionen.
Gefragte Partner: Israels junge Hightech-Unternehmen
Auf privatwirtschaftlicher Ebene ist ebenfalls viel im Fluss. Zahlreiche deutsche Konzerne setzen seit Jahren auf eine Kooperation mit jungen Technologiefirmen in Israel. Unternehmen wie Merck und Siemens suchen im Mittelmeerland nach Innovationen und rekrutieren dort Ingenieure. Die Deutsche Telekom, Bosch, Daimler, die Volkswagen-Gruppe oder BMW unterhalten in Israel ebenfalls Forschungs- und Entwicklungszentren, investieren in Startups oder kaufen sie auf. Kürzlich übernahm etwa die Schwarz-Gruppe, zu der die Supermarktkette Lidl gehört, das Cybersicherheitsunternehmen XM-Cyber für 700 Millionen Euro.
Im Jahr 2021 kam es zudem zu mehreren Kooperation zwischen israelischen Startups und deutschen Firmen. Wacker Chemie arbeitet zum Beispiel mit Aleph Farms zusammen, um Laborfleisch tauglich für den Massenmarkt zu machen. Der Handelskonzern Rewe testet die Computer-Vision-Technologie des israelischen Startups Trigo, mit deren Hilfe Einkäufe im Laden automatisch abgerechnet werden und Warteschlangen entfallen sollen.
Der Energiekonzern E.ON engagiert sich ebenfalls auf dem israelischen Startup-Markt. "Es gibt zwei Dinge, die Israel als führend in der Startup-Welt positionieren,“ erklärt Philipp Ulbrich, Vice President of Strategic Co-Investment. „Erstens ist die Dichte an Hightech-Startups viel höher als anderswo auf der Welt“, begründet er auf der Internetseite des Unternehmens das Interesse. Zweitens seien israelische Unternehmer „sehr agil und nehmen neue Herausforderungen schnell an, auch wenn das bedeutet, dass sie die von ihnen entwickelten Lösungen überdenken müssen."
Möglichkeiten auch für den deutschen Mittelstand
Deutschlands mittelständische Unternehmen können ebenfalls von Innovationen des israelischen Hightech-Sektors profitieren. Neue Technologien und Trends sollten Firmen dazu veranlassen, Kooperationen mit Startups zu suchen, heißt es beim Deutschen Mittelstands-Bund. „Bei immer kürzeren Halbwertzeiten der Innovation kann kein Unternehmen nur auf eigene Entwicklungen setzen“, sagt auch AHK-Chef Alroi.
Neben der AHK bemühen sich weitere Stellen, einen Brückenkopf des deutschen Mittelstandes in die Hightech-Nation Israel zu bilden. So hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft im September 2020 in Israel eine Repräsentanz mit dem Ziel eröffnet, deutsche Unternehmen mit dem israelischen Innovations-Ökosystem zu vernetzen und bilaterale Geschäftsbeziehungen zu initiieren, zu unterstützen sowie diese langfristig zu begleiten. „Ein Fokus liegt hierbei auf der Förderung von KI-Maßnahmen“, sagt Andrea Frahm, die den Verband in Tel Aviv vertritt.
Frahm will zudem als Innovationsbeauftragte des Israel-Büros der Helmholtz Gemeinschaft eine Verbindung zwischen Forschern und wissenschaftlichen Gründern in Israel und in Deutschland aufbauen. So wurde 2021 eine „Entrepreneurship Education“-Workshopreihe für gründungsaffine Helmholtz-Wissenschaftler initiiert. Sie soll ein bis zwei Mal im Jahr in Israel stattfinden.
Der israelische Investor Gilad Carni, der deutschen Delegationen Israels Innovationspotenzial näher bringen will, geht davon aus, dass die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen in Zukunft weiter vertieft werden. „Die Technologie israelischer Startups in Kombination mit den Produktionskapazitäten deutscher Unternehmen kann eine unglaubliche Wirkung haben,“ ist Carni überzeugt.