Duisburg, die China-Stadt
Duisburg hat den Ruf als China-Stadt. Wie kommt das? Ein Doppel-Interview mit dem China-Beauftragten der Stadt und dem Leiter des Referats für China-Angelegenheiten.
Markus Teuber ist China-Beauftragter der Stadt Duisburg und war vorher Generalbevollmächtigter der Hafen AG. Johannes Grünhage leitet das Referat für Chinaangelegenheiten, studierte Ostasien-Wissenschaften, arbeitete in Shanghai und spricht fließend Chinesisch.
Herr Teuber, warum hat Duisburg als einzige deutsche Stadt einen China-Beauftragten?
Teuber: Ganz einfach, weil Duisburg eine besondere Verbindung zu China hat. Seit zehn Jahren ist Duisburg der europäische Logistikknotenpunkt für China im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“. Im Hafen Duisburg kommen täglich Züge mit Waren aus China an, die dann direkt in über 20 europäische Großstädte weitergeleitet werden. Das hat Oberbürgermeister Sören Link 2014 nach dem Besuch von Staatspräsident Xi Jinping dazu veranlasst, Johannes Pflug als China-Beauftragten zu ernennen. Ich bin jetzt seit Mai 2021 Jahres sein Nachfolger und ich muss sagen, dass ich trotz Corona gut zu tun habe.
Ausschlaggebend für die enge Verbindung war Europas größter Binnenhafen in Duisburg, richtig?
Teuber: Ja, aber nur indirekt. Denn der Hafen hat sich in den letzten 20, 30 Jahren zu einer logistischen Drehscheibe mit einer hohen Affinität zur Schiene entwickelt. Inzwischen ist der Umschlag über die Schiene höher als der Umschlag über das Wasser. Der Hafen hat praktisch zu jedem europäischen Industriezentrum direkte Zugverbindungen. Shuttle-Züge fahren von Duisburg nach Mailand, Lyon, Paris, London, Wien oder Budapest und verbinden die Zentren praktisch im Tagesrhythmus und manchmal auch mehrmals am Tag. Es gibt etwa 100 Verbindungen. Auf der anderen Seite haben wir in der Region um die zehn Millionen Einwohner und 150.000 bis 200.000 Unternehmen, die potenzielle Kunden für chinesische Waren sind. Das war wohl vor zehn Jahren ausschlaggebend, Duisburg zum Knotenpunkt für Europa zu machen.
In Zahlen und Fakten: Wie häufig verkehren die Züge, was transportieren sie, wie hoch ist das Wachstum?
Teuber: Ganz am Anfang kam ein Zug pro Woche. Er hat 23 bis 25 Tage gebraucht. Jetzt sind es 40 bis 60 Züge pro Woche, die 12 bis 14 Tage brauchen. Das ist schon ein gewaltiges Wachstum. Und wenn alles normal läuft, ist das noch weiter ausbaufähig. Die Züge transportieren praktisch alles, was in China hergestellt wird und nicht zu voluminös ist. Auf dem Rückweg sind es vor allem Autoteile für Produktionsstätten deutscher Hersteller in China, aber auch Milchpulver und andere Produkte. Aber es geht nicht eins zu eins zurück. Auf dem Rückweg haben wir eine Auslastung von 40 bis 60 Prozent.
Das klingt ja fast so, als ob sie das aktuelle Lieferkettenproblem lösen könnten…
Teuber: Das haben sich Tausende von chinesischen Unternehmen auch gedacht. Das hat aber dazu geführt, dass auch diese Strecke überlastet ist. Denn wir müssen durch zwei Nadelöhre. An der chinesisch-kasachischen Grenze und an der weißrussisch-polnischen Grenze müssen die Container umgeladen werden, weil wir unterschiedliche Spurbreiten haben. Das begrenzt das Wachstum.
Herr Grünhage, Welche Auswirkungen hat der Erfolg des Logistikknotenpunkts auf Duisburg?
Grünhage: Duisburg hat dadurch einen erheblichen Aufschwung genommen. Wir zählen jetzt 100 bis 120 chinesische Unternehmen und eine stark wachsende chinesische Community. Es leben 1.300 Chinesen in der Stadt und über 2.000 chinesische Studierende sind an der Universität-Duisburg-Essen eingeschrieben. Aber die Geschichte begann eigentlich schon viel früher. Denn Duisburg war die erste Stadt in Deutschland, die mit China eine Kooperation begonnen hat – eine Städtepartnerschaft mit Wuhan. Das war 1982 und jährt sich 2023 zum 40. Mal. Das werden wir auch gebührend feiern.
Wie chinesisch ist Duisburg denn schon?
Grünhage: Die chinesische Community lebt vorwiegend in den Innenstadtlagen, gerade im Stadtteil Neudorf. Das ist ein Stadtteil, der sich zwischen dem Hauptbahnhof, also der Innenstadt und der Universität befindet. Da bilden sich tatsächlich chinesische Strukturen aus. Das sieht man ganz deutlich, wenn man durch den Stadtteil geht. Man sieht viele Menschen aus Asien, chinesische Restaurants und Läden. Das hat sich auch in China schon herumgesprochen. Nicht zuletzt durch den Besuch von Xi Jinping 2014 berichten die chinesischen Medien von Duisburg als China-Stadt.