Grüne Mobilität in Senegal
Wie ein deutsches Softwareunternehmen den Nahverkehr in Dakar revolutioniert.
Seit Mai 2024 fahren Elektrobusse über Schnelltrassen durch Dakar, die verkehrsgeplagte Hauptstadt Senegals. Für das reibungslose Aufladen der Busse sorgt eine Software des Unternehmens CarMedialab aus Bruchsal im süddeutschen Bundesland Baden-Württemberg. Im Interview erläutert Henri Depe Tchatchu, Managing Director und COO, welche Chancen das Projekt bietet und wie die deutsch-senegalesische Zusammenarbeit funktioniert.
Herr Depe Tchatchu, was ist das Besondere an Ihrem Projekt in Dakar?
Es ist das erste dieser Art in Afrika. Rund 140 Elektrobusse verbinden jetzt den Norden und den Süden Dakars über eigene, vom übrigen Verkehr getrennte Trassen. Wer vom Auto auf E-Busse umsteigt, braucht für die 18 Kilometer lange Strecke durch die ganze Stadt nur 45 Minuten, anstatt stundenlang im Stau zu stehen. Durch das von der Europäischen Union und der Weltbank finanzierte Projekt wurden außerdem rund tausend Arbeitsplätze geschaffen. Unsere Software wird von Verkehrsbetrieben in rund 30 Städten der Welt genutzt, darunter Barcelona, Dublin, Brüssel, Mainz und bald Seattle. Elektro-Schnellbussysteme waren für uns aber neu. Sie sind viel preiswerter als etwa der Bau von S-Bahnstrecken und könnten in vielen Großstädten im „Globalen Süden“ helfen, Verkehrsprobleme zu lösen und Umweltbelastungen zu verringern. Städte wie Abidjan, Accra, Kigali oder Nairobi denken aktuell über ähnliche Lösungen nach.
Was leistet die Lademanagement-Software von CarMedialab?
Die Software steuert und überwacht alle Ladevorgänge und sorgt dafür, dass der Fahrbetrieb gewährleistet ist, die Batterien geschont werden und möglichst preiswerter Strom genutzt wird. Außerdem verhindert sie eine Überlastung des Stromnetzes. In Senegal gibt es ab und zu Engpässe in der Stromversorgung – aber die Busse können oft nachts laden, wenn der sonstige Bedarf geringer ist.
Sie sind 1996 von Kamerun nach Karlsruhe gegangen. Wie kam es dazu?
Ich war neugierig und wollte die Welt kennenlernen! Weil ich in Jaunde in Kamerun auf einer französischsprachigen Schule war, hätte es sich angeboten, nach Frankreich zu gehen. Deutschland kam deshalb oben auf die Liste, weil ich so gern Fußball spielte und Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft war. Ich habe dann zuerst einen Deutschkurs am Studienkolleg der Universität Karlsruhe gemacht. Schon damals gab es in der Stadt viele internationale Studierende und Deutsch zu lernen fiel mir nicht schwer, deshalb habe ich mich schnell sehr wohlgefühlt. Interesse an Technik hatte ich aber schon immer, vor allem für Autos. Ich habe dann an der FH Karlsruhe Nachrichtentechnik studiert, ein Fach, das im Bereich der Fahrzeugelektronik sehr wichtig ist.
War Elektromobilität damals schon ein Thema?
Nein, der Begriff spielte kaum eine Rolle – auch noch nicht Anfang der 2000er-Jahre, als ich als Berater in der Automobilindustrie tätig war. 2008 habe ich bei CarMedialab angefangen, zwei Jahre später haben wir einen Ladekontroller für den ersten Prototyp des Elektro-Smarts von Daimler aufgebaut. So sind wir als Unternehmen zur Elektromobilität gekommen. Unser Schwerpunkt hat sich recht bald darauf verlagert, den öffentlichen Nahverkehr grüner zu machen. Der Bedarf an emissions- und lärmfreien Bussen wächst weltweit enorm.
Sie waren im Sommer Teil der deutschen Delegation, die Außenministerin Annalena Baerbock nach Senegal begleitet hat. Welche Chancen bietet Afrika für deutsche Unternehmen?
In einigen afrikanischen Ländern wie Ruanda, Ghana, Elfenbeinküste oder Senegal kommt die Industrialisierung rasch voran. Weil deutsche Technik dort einen hervorragenden Ruf genießt, gibt es dort sehr gute Möglichkeiten für erfolgreiche Geschäfte. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern Afrikas sind aber riesig. Chancen für die deutsche Wirtschaft gibt es definitiv, denn viel ist dort im Aufbau. Aber „Afrika“ wird von einigen immer noch vor allem mit Kriegen und Katastrophen verbunden, dieses Image schreckt Unternehmen ab. Man muss auf die einzelnen Länder schauen, sie besuchen, Partnerschaften aufbauen.
Ihr Unternehmen hat seinen Sitz in Deutschland, Sie beschäftigen aber auch viele Fachkräfte andernorts?
In unserer Branche ist es üblich, Fachkräfte remote zu beschäftigen, ohne dass sie dafür nach Deutschland kommen müssen. Wir beschäftigen seit mehr als 10 Jahren zum Beispiel Softwareentwickler in Portugal und in den USA. Wir haben seit Mitte 2023 über einen Dienstleister unseren Kundensupport in Nairobi in Kenia aufgebaut, mit jungen Menschen, die sich um den weltweiten Kundensupport kümmern. Wir sind mit ihrem Einsatz so zufrieden, dass wir jetzt darüber nachdenken, das Modell auszubauen. Die Länder mit dem niedrigsten Durchschnittsalter der Welt liegen in Afrika. Viele junge Leute sind sehr motiviert und mittlerweile gut ausgebildet, entsprechend groß ist das Potenzial.