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Digitale Lösungen für Mensch und Natur

Waldelefanten schützen, Ernten vorhersagen oder Krankheitserreger erkennen: Diese deutsch-afrikanischen Projekte zeigen, wie das und mehr mit Künstlicher Intelligenz funktionieren kann.

Ana Maria März, 05.12.2024
Ein deutsch-afrikanisches KI-Projekt schützt Elefanten.
Ein deutsch-afrikanisches KI-Projekt schützt Elefanten. © dpa

Künstliche Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten, globale Herausforderungen zu bewältigen – von der Gesundheitsversorgung bis zum Tierschutz. In deutsch-afrikanischen Kooperationen entstehen innovative Ansätze, die Mensch und Natur gleichermaßen zugutekommen. Ob es darum geht, Krankheitserreger binnen Minuten zu identifizieren, Waldelefanten zu schützen oder die Ernte vorherzusagen – diese Projekte zeigen, wie KI Lösungen für eine nachhaltige Zukunft schaffen kann.

Algorithmen helfen dabei, Elefanten zu identifizieren.
Algorithmen helfen dabei, Elefanten zu identifizieren. © Nuria Ortega

Waldelefanten besser schützen

Damit KI zum Einsatz kommen kann, muss der Algorithmus lernen. Das passiert gerade bei einem Projekt der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland und des IT-Unternehmens IBM. Eine KI-Software soll künftig nicht nur Waldelefanten zählen, die zuvor von einer Kamera im Regenwald aufgenommen wurden. Sie soll die Elefanten auch individuell identifizieren. „Das ist etwas ganz Neues“, sagt Thomas Breuer, Referent für Zentralafrika beim WWF Deutschland und Koordinator für Waldelefanten. „Damit der Algorithmus lernt, unbekannte Tiere zu identifizieren, braucht man zunächst Tiere, die schon identifiziert sind“, sagt er. Das Zählen der Tiere soll dazu beitragen, sie besser zu schützen. „Die Forscher vor Ort kennen sehr viele Tiere als Individuen. So können wir dem Algorithmus sagen, welcher Elefant welcher ist.“ Danach müsse die KI trainiert und getestet werden. „Bis wir im Regenwald mit Solarenergie betriebene Kamerafallen mit integriertem Algorithmus und Echtzeitübertragung haben, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern“, sagt Breuer. Doch die Entwicklung von KI laufe schnell, auch wenn am Anfang viel Arbeit nötig sei.

Krankheitserreger schnell identifizieren

Die Universität Münster hat eine schnelle und günstige Methode entwickelt, um Krankheitserreger zu erkennen. Die Forschenden brauchen nur einen Computer, ein Mikroskop mit Kamera und eine Software, die verschiedene Erreger unterscheiden kann. „Der Charme unseres Ansatzes ist, dass wir einfache mikroskopische Färbungen durchführen, die dann mittels KI interpretiert werden“, sagt Professor Frieder Schaumburg, Direktor am Institut für Medizinische Mikrobiologie. „Die Identifizierung dauert etwa 15 Minuten. Die Kosten für die Materialien werden im Cent-Bereich liegen.“ Bald soll die neue Methode in zwei afrikanischen Partnerkrankenhäusern der Universität getestet werden: im Masanga Hospital in Sierra Leone und im Hôpital Albert Schweitzer in Gabun.

Chatbots in der Landessprache

Damit viele Menschen von KI profitieren, muss die Technologie ihre Sprache sprechen. Um das zu ermöglichen, entstand 2019 im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Initiative FAIR Forward, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) umsetzt. „Gerade für afrikanische Sprachen gab es bis dato kaum KI-aufbereitete Sprachdaten“, sagt Jonas Gramse, Projektmanager bei FAIR Forward. „Diese sind aber nötig, um zum Beispiel Übersetzungstools oder Chatbots für lokale Sprachen zu entwickeln.“ In Uganda, Kenia und Ruanda baute FAIR Forward öffentlich verfügbare Datenbanken in den Sprachen Kiswahili, Kinyarwanda und Luganda mit auf. In Ruanda wurde ein Chatbot entwickelt, der die Menschen in der lokalen Sprache Kinyarwanda über Covid-19 informierte. „FAIR Forward fördert einen offenen, diskriminierungsfreien Zugang sowie die ethische Nutzung von KI“, sagt Gramse über die Initiative, die auch zu Fragen von Menschenrechten und Datenschutz berät.

FAIR Forward verbessert die Arbeit in der Landwirtschaft.
FAIR Forward verbessert die Arbeit in der Landwirtschaft. © GIZ

KI in der Landwirtschaft

Neben Sprachen geht es bei FAIR Forward auch um Geodaten für KI in der Landwirtschaft. „Damit können Bäuerinnen und Bauern ihre Ernte vorhersagen oder Schädlinge erkennen“, sagt Gramse. FAIR Forward unterstützt Unternehmen und Organisationen in Afrika und Asien etwa über das Open-Source-KI-Business-Mentorship-Programm. Teilgenommen hat zum Beispiel das Local Development Research Institut aus Kenia, das Bäuerinnen und Bauern Frühwarnsysteme bietet. Oder das Unternehmen M-Omulimisa aus Uganda, das Landwirtinnen und Landwirten mit KI-basierten Ertragsvorhersagen dabei hilft, leichter an Kredite zu kommen.

Das Bundesarchiv kann mit KI Handschriften erkennen.
Das Bundesarchiv kann mit KI Handschriften erkennen. © Bundesarchiv

Kolonialgeschichte erforschen mit KI

Fremde Handschriften zu entziffern, kann schwierig sein. Vor allem, wenn der Text in einer alten Schrift geschrieben ist. Das deutsche Bundesarchiv hat mit KI ein Programm zur Handschriftenerkennung entwickelt, das einen Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen leisten soll. Forschende können nun die etwa 10.000 Akten des Reichskolonialamts, die viele in Sütterlinschrift geschriebene Texte enthalten, leichter lesen und durchsuchen. Die Sütterlinschrift ist eine deutsche Schreibschrift, die Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde, aber heute kaum noch verwendet wird. In zwei Jahren sollen die Unterlagen nicht mehr nur vor Ort nutzbar sein, sondern auch online eingesehen werden können.

Das Netzwerk RAIN beschäftigt sich mit ethischen Fragen von KI.
Das Netzwerk RAIN beschäftigt sich mit ethischen Fragen von KI. © RAIN Africa

Vernetzte Wissenschaft

Ein Netzwerk für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit KI beschäftigten, gibt es seit 2020 mit dem Responsible AI Network Africa (RAIN Africa). Das Projekt entwickelte sich aus einer Partnerschaft zwischen der Fakultät für Elektro- und Computertechnik der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) in Ghana und dem Institute for Ethics in Artificial Intelligence der Technischen Universität München (TUM). Die Forschenden aus mehreren afrikanischen Ländern und Deutschland tauschen sich etwa über die Förderung von KI in Bereichen wie Gesundheit oder Bildung aus oder über ihre sozialen und ethischen Auswirkungen. „Ein interessanter Aspekt dieses internationalen Netzwerks ist die notwendige Auseinandersetzung mit der Frage, wie Kontext und Kultur diese Diskussionen oder Ansätze verändern könnten, da wir uns hierzulande oft nur mit einem eher europäischen Ansatz mit diesen Themen beschäftigen“, sagt Caitlin Corrigan von der TUM.