Mission Mond
Israelische und deutsche Unternehmen wollen gemeinsam zum Mond – und konstruieren ein Landesystem für die kommerzielle Nutzung.
Lange ist niemand mehr oben gewesen. 1969 setzten erstmals drei amerikanische Astronauten ihren Fuß auf den Mond. Einige Kollegen folgten ihnen, aber nach 1972 hat es keine bemannte Mondlandung mehr geben. Bis heute ist es überhaupt erst drei Nationen – den USA, der damaligen Sowjetunion und China – gelungen, mit Raumflugkörpern auf dem Mond zu landen. Doch nun scheint das Interesse neu erwacht. Kürzlich kündigten die USA an, spätestens 2024 wieder Menschen zum Mond fliegen zu wollen. Und auch das innovationsstarke Israel hat vor wenigen Monaten einen Versuch gestartet, der weltweit Beachtung fand: Das unbemannte Mondlandegerät „Beresheet“ schaffte es im März 2019 bis kurz vor die Landung, um dann doch hart und unkontrolliert aufzuprallen.
Israel als hochinteressanter Partner
Hinter dem israelischen Projekt, auch das war neu und einmalig, stand keine staatliche Raumfahrtbehörde, sondern ein Milliardär, der das Mondlandegerät von der Organisation SpaceIL in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Israel Aerospace Industries (IAI) entwickeln ließ. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse haben Israel zu einem interessanten Partner für die deutsche Raumfahrtindustrie gemacht: Anfang 2019 schloss das auf Satelliten spezialisierte Technologieunternehmen OHB System mit Sitz in Bremen und Oberpfaffenhofen eine Kooperation mit IAI. Man sei „stolz darauf, mit einem weltweit führenden Satellitenhersteller sowie der europäischen Weltraumorganisation als auch dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammenzuarbeiten“, sagte IAI-Vorstand Nimrod Sheffer bei Vertragsunterzeichnung. „Dies ist eine besondere Auszeichnung für die israelische Raumfahrtindustrie.“ Die Zusammenarbeit mit OHB System ermögliche es, an vorderster Front „an der Erforschung des Weltraums“ dabei zu sein.
Know-how bündeln, Hürden überwinden
Auch in Deutschland ist man zufrieden mit der Vereinbarung – und das nicht nur, weil die Zusammenarbeit mit Israel seit Jahren eng und vertrauensvoll ist. „Jetzt können wir unser jeweiliges Know-how effektiv verknüpfen“, erklärt Timo Stuffler, der bei OHB System die Geschäftsentwicklung verantwortet. Zwar sei die Beresheet-Mission nicht komplett geglückt, aber die israelischen Raumfahrtexperten konnten dennoch viele technische Hürden überwinden. Zu 95 Prozent hätten Hard- und Software erwartungsgemäß funktioniert – ein hervorragender Ausgangspunkt für weitere gemeinsame Pläne, findet man in Oberpfaffenhofen.
Doch auch wenn Fachwissen und Entwicklungsbudgets nun gebündelt werden können – einfach ist die Mission nicht. Man müsse bei Mondlandungen mit großen Geschwindigkeitsunterschieden umgehen, erklärt Stuffler. Der Flugkörper muss einerseits die nötige Geschwindigkeit aufbauen, andererseits aber auch wieder abbremsen. Und je schwerer das Flugobjekt, desto mehr Energie ist dafür nötig. Das wiederum macht den Transport von zusätzlichen Messinstrumenten, Robotern oder autonomen Erkundungsfahrzeugen schwierig. Beim israelischen Prototypen – einem kleinen Lander mit knapp 600 Kilogramm Gesamtgewicht, davon ein Großteil Treibstoff – konnten am Ende nur einige Kilogramm hinzugeladen werden.
Die Kapazitäten für diese sogenannten Nutzlasten will man nun gemeinsam ausbauen. 150 Kilogramm haben sich die Kooperationspartner als Ziel gesteckt. Die aus der Beresheet-Mission gewonnenen Erfahrungen verschafften den Unternehmen gegenüber Konkurrenten „einen erheblichen Wettbewerbsvorteil in Bezug auf Risiko und Zeitplan“, sagt Opher Doron von IAI. Ob am Ende ein kleiner Lander gebaut wird, Subsysteme für einen größeren Lander oder sogar ein Mondfahrzeug – da will sich Timo Stuffler noch nicht festlegen. Überlegungen gäbe es in alle Richtungen. Und die Kooperation sei auch nicht auf einen bestimmten Zeitraum oder ein einzelnes Gerät beschränkt. „Wir wollen ja nicht nur landen, wir wollen Experimente auf dem Mond ermöglichen.“
Gemeinsam eine neue Ära der Raumfahrt beginnen
Parallel bauen auch die USA an Mond-Transportmaschinen. Das zurzeit in der Planung befindliche größte US-Landesystem soll bald mehrmals im Jahr bis zu fünf Tonnen Lasten auf die Mondoberfläche bringen. „Dadurch wird auf dem Mond eine gewisse Infrastruktur entstehen“, sagt Stuffler. Und somit auch ein kommerzieller Markt für Hin- und Rückflüge. Dass es in den kommenden Jahren ausreichend europäische Kunden geben wird, die Messgeräte oder andere Materialien zum Mond schicken wollen, darauf vertrauen Deutsche wie Israelis. Neben der Europäischen Weltraumorganisation ESA haben auch wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen großes Interesse an einer zuverlässigen Mondlandefähre.
Zu erforschen gibt es nämlich auf dem Mond noch viel; weite Teile der Oberfläche gelten als Terra incognita. Im Fokus steht derzeit vor allem die Ressourcengewinnung. So weiß man längst, dass es in den Mondkratern meterdicke Eisschichten gibt. Auch in Gestein eingelagerter Sauerstoff kommt auf dem Mond vor. Bislang können diese Ressourcen nicht genutzt werden. Sollte es in Zukunft gelingen, „den dort vorhandenen Wasserstoff und Sauerstoff zu gewinnen, wäre der Grundstein für Energie und Treibstoffgewinnung vor Ort gelegt“, erklärt Stuffler. Das könnte für den Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der Raumfahrt stehen: Wo Energiequellen erschlossen sind, wird eine Mondbesiedelung immer wahrscheinlicher.
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