Gesund durch Artenschutz
Umweltschutz und die Vorbeugung von Pandemien gehen Hand in Hand. Wieso das so ist, erklärt die Virologin Sandra Junglen
Kann mehr Artenschutz uns vor Epidemien wie dem Ausbruch von Covid-19 schützen? Dieser Frage geht die Virologin Sandra Junglen nach. Sie leitet die Arbeitsgruppe „Ökologie neuartiger Arboviren“ am Institut für Virologie an der Charité Universitätsmedizin in Berlin. Das Projekt ist ein Teil des „Nationalen Forschungsnetz zoologischer Infektionskrankheiten“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2022 gefördert wird. Ziel des Forschungsprojektes ist es, konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung zoonotischer – das heißt von Tier zu Mensch übertragbarer – Infektionskrankheiten zu erarbeiten.
Frau Junglen, was erforschen Sie in Ihrem Projekt?
Wir untersuchen, wie sich neuartige Infektionskrankheiten ausbreiten und konzentrieren uns dabei auf Viren, die durch Stechmücken übertragen werden. Wir wollen die ersten Ausbreitungsprozesse verstehen, also die genauen Hintergründe verstehen, wie es zu einer Übertragung von neuartigen Viren auf den Menschen kommen kann. Wir wissen, dass ca. 70 Prozent der infektiösen Erkrankungen aus dem Tierreich kommen. Aber was genau hat dazu geführt, dass sich Viren und andere Pathogene auf den Menschen übertragen können? Darüber ist bisher noch sehr wenig bekannt, weil wir Viren normalerweise nicht in ihrem natürlichen Ökosystem untersuchen, sondern erst dann, wenn die Übertragung bereits stattgefunden hat und sie Krankheiten beim Menschen auslösen.
In welchen Situationen kommt es zur Übertragung auf den Menschen?
Die Ansteckungen erfolgen eigentlich immer über einen Kontakt, der vorher nicht da war. Also wenn Menschen zum Beispiel in Ökosysteme vorstoßen, in denen sie vorher nicht heimisch waren und dort in Kontakt mit Wildtieren kommen. Es kann aber auch sein, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Wirtspopulationen, dazu führen, dass sich einzelne Arten stark vermehren, wie beispielsweise bestimmte Mückenarten, die dann das Virus auf Menschen oder Nutztiere übertragen können.
Wie weit ist die Forschung?
Die genauen Mechanismen haben wir bisher noch nicht verstanden. Wieso passiert die Übertragung beispielsweise nur so selten, obwohl es unendlich viele Erreger im Tierreich gibt? Warum überträgt sich genau dieses Virus und viele andere nicht? Welche Eigenschaften besitzen Viren, die sich ausbreiten im Gegensatz zu solchen, die es nicht schaffen sich auszubreiten? Die Forschung ist sehr aufwendig, da sie vor Ort und in intakten Ökosystemen und in angrenzenden gestörten Ökosystemen erfolgen muss. Außerdem gibt es eine sehr große genetische Vielfalt an Viren, die wir untersuchen, um Modelle zu finden, an denen wir Unterschiede und Gemeinsamkeiten messen können. Es ist noch ein langer Weg, bis die Forschung umfassende Ergebnisse zu diesem Thema liefern kann.
Welche Rolle spielt der Umwelt- und Artenschutz bei der Prävention von Epidemien und Pandemien?
Intakte Ökosysteme beherbergen eine Fülle an Tier- und Pflanzenarten, die alle eine bestimmte Aufgabe erfüllen, dadurch entsteht ein ökologisches Gleichgewicht. Die verschiedenen Arten sind jedoch unterschiedlich anpassungsfähig. Während manche mit Umweltveränderungen gut klar kommen, sterben andere aus. Man muss das Ökosystem schützen, um die Artenvielfalt zu erhalten. So können sich Viren eines bestimmten Tieres nicht übermäßig vermehre. Stört der Mensch dieses Gleichgewicht, dann kann es zum Artensterben auf der einen Seite und einer Überpopulation der anpassungsfähigen Arten auf der anderen Seite kommen. Alle Tiere tragen Erreger und unterschiedliche Viren in sich. Bei einer Überpopulation finden die Viren mehr Wirte, um sich zu verbreiten. Die Infektionsdichte der Erreger steigt und diese können sich dann durch den Kontakt einfacher auf Menschen übertragen.
Was kann die Politik tun, um die Ausbreitung gefährlicher Viren zu verhindern?
Zum einen müssen wir unsere Ökosysteme besser schützen, um die Vielfalt der Arten zu erhalten. Es wäre außerdem wichtig den Handel mit Wildtieren einzuschränken, weil Menschen dadurch in direkten Kontakt mit möglichen Erregern kommen und sich so neue Infektionskrankheiten ausbreiten können.
Und was kann jeder Einzelne tun?
Jeder Einzelne kann sich fragen, woher die Produkte kommen, die er kauft. Ist Soja aus Brasilien drin, für das der Regenwald abgeholzt wird oder Palmöl aus einer Plantage in Indonesien? Brauche ich unbedingt ein neues Smartphone, das Coltan aus Minen im Kongo enthält? Wir können unseren eigenen Konsum hinterfragen und so auf die Nachfrage nach bestimmten Ressourcen einwirken, die zur Zerstörung von Lebensräumen beitragen.
Trägt die Corona-Krise dazu bei, unser Bewusstsein für diese Probleme zu verändern?
Ich hoffe es. Jetzt ist das allgemeine Interesse sehr hoch. Immer mehr Menschen interessieren sich für den Zusammenhang zwischen Umweltschutz und dem Auftreten neuartiger Viren. Die globale Wirtschaft und Milliarden von Menschen sind vom Coronavirus betroffen. Vielleicht hilft das ja, um echte Veränderungen anzustoßen, die zu konkreten Maßnahmen und deren Umsetzungen führen.
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