Jetzt kommt Digital Farming
Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft verändert, erklärt Cornelia Weltzien, die führende deutsche Expertin für Digital Farming.
Frau Professor Weltzien, die Digitalisierung erreicht auch die Landwirtschaft. Was ist heute bereits technisch möglich?
Wenn man mal das Beispiel des autonomen beziehungsweise unterstützten Fahrens aus der Automobilindustrie nimmt, dann sind wir in der Landwirtschaft schon weiter. Wir könnten Landmaschinen autonom fahren lassen, dürfen es aber noch nicht. Dennoch bringen GPS-gesteuerte Traktoren durch ihre Genauigkeit heute schon ehebliche Einsparungen. Darüber hinaus ist es möglich, mit Sensoren am Traktor Unterschiede des Bodens zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung zu erfassen. Relativ neu ist der Einsatz von Drohnen. Die Bodencharakterisierung aus der Luft ist noch nicht so weit, gut funktioniert aber schon die Beurteilung des Zustands der Pflanzen.
Dann muss der Landwirt von heute also IT-Spezialist sein…
Das ist der Knackpunkt. Es gibt die Technologien, aber sie haben sich noch nicht im großen Stil durchgesetzt. Meine Hoffnung ist, dass sich das in naher Zukunft ändert, weil die Werkzeuge immer leichter zu bedienen sein werden. Inzwischen werden die Daten von den Maschinen und Computern so aufbereitet, dass der Landwirt eigentlich nur noch die Entscheidung fällen muss, was er tun will.
Wie viele Landwirte nutzen diese technischen Hilfsmittel denn schon?
Dazu gibt es keine genauen Zahlen. Ich schätze aber, dass GPS-Lenksysteme und die Ertragskartierung auf dem Mähdrescher schon von weit über 50 Prozent der Landwirten genutzt wird. Die Nutzung der Technologien zu teilflächenspezifischen Bewirtschaftung hingegen dürfte noch unter 10 Prozent liegen.
Das technisch Mögliche muss ja nicht immer das Beste sein. Wofür werden diese Technologien eingesetzt?
Zur Optimierung der Erträge, aber auch zur umweltfreundlichen Bewirtschaftung. Das muss der Landwirt entscheiden. Wenn er zum Beispiel per Drohne feststellt, dass sich eine Krankheit ausbreitet, kann er zu chemischen Mitteln greifen oder die Krankheit mechanisch beziehungsweise thermisch behandeln. Das heißt, er pflügt den betroffenen Teil um oder flammt ihn ab. Die Technik ist dabei neutral.
Und der Bio-Bauer bleibt beim Unkrautjäten mit der Hand? Oder profitiert er auch von der Entwicklung?
Jein! Bio-Bauern möchten natürlich auch effizient arbeiten und rund 80 Prozent ihrer Arbeit sind auch mechanisiert. Aber manches schaffen die Maschinen nicht. Dann muss er tatsächlich eine Mannschaft rausschicken zum Unkrautjäten. Ich sehe aber noch eine andere Entwicklung: Dadurch, dass viele chemische Pflanzenschutzmittel keine weitere Zulassung erhalten und immer weniger neue zugelassen werden, werden sich der ökologische und konventionelle Landbau wieder annähern.
Prof. Dr.-Ing. Cornelia Weltzien ist Leiterin Technik im Präzisionspflanzenbau am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam und Professorin für Agromechatronik an der TU Berlin. Sie ist eine national und international anerkannte Spitzenforscherin im Bereich digitale Landwirtschaft.
Interview: Martin Orth
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