Gemeinsame Forschung und Lehre
Seit 15 Jahren gibt es die Deutsch-Jordanische Universität. Nun nutzt sie die Corona-Krise für eine Digitaloffensive.
An der Deutsch-Jordanischen Hochschule in Amman (GJU) lernen Studierende wie an einer deutschen Fachhochschule. Zu ihrem Start im Wintersemester 2005/06 zählte die binationale Universität rund 120 Studierende. Heute sind es etwa 4.500. Das macht die GJU nach der German University Cairo zur weltweit zweitgrößten binationalen Universität mit deutscher Beteiligung. Die GJU ist zwar eine rein jordanische Hochschule, die enge Verflechtung mit Deutschland ist jedoch in ihrer DNA angelegt.
Dazu gehört das für Studierende obligatorische Deutschlandjahr. Jedes Jahr kommen rund 650 Studierende aus Amman nach Deutschland an eine Partnerhochschule der GJU oder absolvieren ein Praktikumssemester bei einem Unternehmen, darunter Bosch, Puma, Deutsche Bahn und DHL. Der Austausch ist keine Einbahnstraße: 2010 begrüßte die GJU die ersten drei deutschen Austauschstudierenden. 2019 kamen bereits 139. Einen stetigen Austausch gibt es auch unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Lehre und Verwaltung.
Stabilitätsanker in einer Krisenregion
„Das war ein Projekt, das politisch auf beiden Seiten große Unterstützung hatte“, erklärt Benjamin Schmäling die Gründung der GJU. Er ist als Leiter des Referats Deutsche Studienangebote in Nahost, Afrika und Lateinamerika beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für die Universität in Amman zuständig. „Jordanien ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Partner für Deutschland und ein Stabilitätsanker in einer teils sehr konfliktreichen Region“, sagt Schmäling. „Die Gründung der GJU war auf beiden Seiten ein Anliegen, um nicht nur in der Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch bei der Hochschulkooperation stärker zusammenzuarbeiten.“
Das große Interesse der Bundesregierung machte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich: Sie traf im Juni 2018 Studierende der GJU zu einem Gespräch. Die Förderung des DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beläuft sich 2020 auf insgesamt rund 2,6 Millionen Euro. Diese Summe sei in den vergangenen Jahren in etwa konstant geblieben, sagt Schmäling.
In Deutschland ist die Hochschule Magdeburg-Stendal zentraler Partner der binationalen Universität. Zu ihren Aufgaben gehören die Absprachen mit den 118 weiteren Partnerhochschulen in Deutschland und Österreich sowie über 2.000 deutschen Unternehmen, die in das Projekt der Transnationalen Bildung einbezogen sind, berichtet die Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal, Professorin Anne Lequy.
Deutsch-jordanische Forschung
Deutschland und Jordanien kooperieren auch in der Forschung. Die wichtigsten Bereiche sind hier medizinische Anwendungen, Energie, Wasser sowie Informations- und Computertechnik. „In der Medizin- und Pharmazietechnik hat die GJU mit dem Nationalen Referenzzentrum für Streptokokken am Universitätsklinikum Aachen und dem Universitätsklinikum Jena in der Pneumokokkenforschung zusammengearbeitet“, nennt Lequy Beispiele aus der Praxis.
Aktuell fördert Deutschland die Veranstaltungsreihe „Protracted Displacement: Hopes, Perspectives, Solutions?“ der GJU mit akademischen Partnern und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Der Austausch zur Lage von Flüchtlingen war ursprünglich als wissenschaftlicher Beitrag zur Jubiläumsfeier der GJU geplant. „Die Konferenz findet nun ausschließlich virtuell statt“, erklärt Lequy mit Blick auf die Coronakrise. Die treffe die binationale Hochschule natürlich besonders hart. „Einige Angebote, insbesondere längere physische Aufenthalte an einer Partnerhochschule, mussten in diesem Jahr abgesagt werden.“
Die Pandemie habe in Amman aber auch zu einem Schub bei der digitalen Bildung geführt, sagt Schmäling. „Die GJU entwickelt seit Beginn der Coronakrise eine Digitalstrategie, um in weiteren Ländern der Region präsent zu sein und andere Studierende anzusprechen, zum Beispiel Berufstätige.“
Bessere Chancen für Frauen
Diese Initiative könnte auch helfen, die Digitalwirtschaft in Jordanien voranzubringen. Die Regierung blicke auch besonders auf diese Zukunftsbranche, um neue Jobs zu schaffen, erklärt Schmäling. „Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch.“ Deshalb sei die GJU stark praxisorientiert. „Ein Problem ist seit langem außerdem die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Nur rund 14 Prozent sind berufstätig.“. Dabei liege der Anteil der Studentinnen in Jordanien sogar leicht höher als in Deutschland.
Insbesondere junge Frauen haben dank der GJU bessere Jobaussichten, denn die binationale Universität eröffnet ihnen auch den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Laut einer Umfrage der Hochschule Magdeburg-Stendal im Frühjahr 2020 arbeiten rund zehn Prozent der GJU-Absolventen in Deutschland. Etwa 45 Prozent der Absolventen mit Bachelorabschluss haben sich anschließend für einen Masterstudiengang an einer deutschen Partnerhochschule entschieden. Die GJU-Abschlüsse sind in Deutschland anerkannt, aber noch nicht offiziell von den zuständigen Agenturen akkreditiert. Die Akkreditierung sei ein zentrales Ziel bis Ende 2022, sagt Lequy.
Eine Perspektive für jordanische Fachkräfte
Das könnte helfen, mehr jordanischen Fachkräften in Deutschland eine Perspektive zu bieten. Schmäling freut sich aber auch, dass die Absolventen in ihrer Heimat gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und zudem die deutsch-jordanischen Beziehungen stärken. „Wir haben Absolventen, die den deutschen Kontext sehr gut kennen. Sie können in der Wirtschaft und bei zivilgesellschaftlichen Organisationen als Botschafter in beide Richtungen tätig werden. Das ist auf jeden Fall ein großes Verdienst der GJU.“