Grüne Energie aus der Wüste
Deutschland will die Energiewende mit „grünem“ Wasserstoff schaffen. Marokko kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Als „Erdöl der Zukunft“ oder „Schlüsselrohstoff“ bezeichnen ihn deutsche Politiker bei der Vorstellung der Nationalen Wasserstoffstrategie im Juni 2020: Den grünen Wasserstoff – also Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien gewonnen wird. Deshalb setzt die deutsche Regierung bei der Energiewende künftig voll auf synthetische Kraftstoffe aus grünem Wasserstoff.
Aus Wasserstoff lassen sich sogenannte Power-to-X-Produkte (PtX) wie Gas, Kerosin oder Ausgangsstoffe für die chemische Industrie herstellen. Das wurde bislang durch den hohen Stromverbrauch verhindert, der für die Wasserelektrolyse – also die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Strom – benötigt wird. Die deutsche Regierung will die Energiefrage nun mithilfe von Solarenergie aus dem Ausland lösen. „Vor allem Länder in Nordafrika sind geeignete Produktionsstandorte, da hier die Sonne nahezu unbegrenzt scheint“, sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. „Gemeinsam mit Marokko entwickeln wir jetzt die erste industrielle Anlage für grünen Wasserstoff in Afrika.“
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) hat im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie mit Marokko eine „Allianz zur Entwicklung des Power-to-X-Sektors“ vereinbart. Marokko liege beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Afrika an der Spitze und beschäftige sich seit zwei Jahren intensiver mit dem Thema grüner Wasserstoff, erklärte eine Ministeriumssprecherin.
Solarenergie aus Ouarzazate
Marokko ist seit längerer Zeit ein Partner Deutschlands im Energiebereich. In der Stadt Ouarzazate wurde mit deutscher Unterstützung eines der größten Solarkraftwerke der Welt errichtet. Es versorgt 1,3 Millionen Menschen mit sauberem Strom. „Grüner Wasserstoff ist eine logische Fortführung des marokkanischen Engagements für erneuerbare Energien, die Gespräche wurden daher schnell konkret“, sagte die Sprecherin.
Die Pilotanlage soll eine Elektrolyseleistung von rund 100 Megawatt erbringen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es laut der Deutschen Energie-Agentur mehr als 30 Power-to-Gas-Pilotprojekte mit einer Gesamtleistung von rund 25 Megawatt. Es wird allerdings noch etwas dauern, bis mit größeren Mengen an nachhaltig erzeugtem Gas und Benzin aus Marokko zu rechnen ist. Die Planungen für die Anlage befinden sich noch in einem frühen Stadium. Fragen zum Standort oder der angestrebten Exportmengen für Deutschland müssen noch geklärt werden.
Wasserstoffstrategie mit internationalen Partnern
Entwicklungsminister Müller ist von den positiven Effekten des Projekts überzeugt. „Damit schaffen wir in Marokko Arbeitsplätze für die vielen jungen Menschen, stärken die Technologieführerschaft in Deutschland und helfen, die internationalen Klimaziele wirksam zu erreichen“, sagte er bei der Vorstellung der Wasserstoffstrategie. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ging bei der Beurteilung der Bedeutung der Technologie für den deutschen Wirtschaftsstandort noch einen Schritt weiter. „Mit der Wasserstoffstrategie stellen wir die Weichen dafür, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer eins in der Welt wird.“
Ohne internationale Partner wird dies aber nicht gelingen. „Der zukünftige Bedarf Deutschlands an klimaneutralen Kraftstoffen und Brenngasen kann nicht aus den hier bestehenden erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Deshalb wird Deutschland mittel- und langfristig auf den Import von PtX-Produkten angewiesen sein“, heißt es beim BMZ. Hier kommt den Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eine Schlüsselrolle zu. „Ohne die Sonne Afrikas werden wir die Ziele alle nicht verwirklichen können“, unterstrich die Sprecherin.
Wirtschaftliche Entwicklung durch erneuerbare Energien
Die Zusammenarbeit werde keine Einbahnstraße in Richtung Deutschland sein, versichert die Bundesregierung. Die Herstellung von grünem Wasserstoff und PtX-Folgeprodukten biete insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländern mit reichen Vorkommen an erneuerbaren Energien neue Chancen für wirtschaftliche Entwicklung. Konkret würden die lokale Wertschöpfung gestärkt, neue Wirtschaftsbereiche erschlossen und die Energiesicherheit vor Ort unterstützt. Wasserstoff sei dabei für Deutschland aber nicht gleich Wasserstoff: Das BMZ fördert nur grünen Wasserstoff, keinen Wasserstoff aus fossiler Energie. Dafür setzt es auf die Zusammenarbeit mit Staaten wie Marokko, die über beste Voraussetzungen für die Umwandlung von Sonne in Energie verfügen.