Ausgezeichnete Brückenbauer
Erfolgreich in Klimaforschung und Wissenschaftsdiplomatie: Das Deutsche GeoForschungsZentrum wird für seinen Austausch mit Russland geehrt.
Diplomatie ist oft leise – und dann aber besonders effizient. So entstehen wertvolle Verbindungen, auch wenn sie von der breiten Öffentlichkeit seltener wahrgenommen werden. Für mehr Beachtung will der neue Preis für Bildungs- und Wissenschaftsdiplomatie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sorgen. Zu den ersten drei im Juni 2021 ausgezeichneten Preisträgern zählt das Projekt BRIDGE des Helmholtz-Zentrums Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, das für seinen Austausch mit Russland geehrt wird. Projektleiter Ludwig Stroink spricht im Interview über die Chancen des deutsch-russischen Dialogs, eine breit aufgestellte Partnerschaft und Angebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Herr Dr. Stroink, Ihre nun ausgezeichnete Kampagne zum Austausch mit Russland haben Sie BRIDGE genannt. Welche Brücken bauen Sie?
Der thematische Kern der in BRIDGE geplanten Aktivitäten ist die Klimaforschung. Sie verbindet Deutschland und Russland schon seit fast 200 Jahren, seit Alexander von Humboldts Reise nach Sibirien 1829. Heute haben wir eine große Vielfalt gemeinsamer Themen in diesem Bereich, die wir auch in Zukunft weiter bearbeiten werden. Etwa in der Arktisforschung: Seit 2013 nutzen deutsche und russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam die moderne Forschungsstation auf der Insel Samoylov im Lena-Delta. Sie untersuchen zum Beispiel das Auftauen der Permafrostböden, um daraus Rückschlüsse auf das Klima zu ziehen. Die ausgezeichneten wissenschaftlichen Beziehungen sind die Grundlage, auf der unser Konzept aufbaut. Unser Ziel ist es, mit breiten gesellschaftlichen Kreisen ins Gespräch zu kommen und so Brücken zum gegenseitigen Verständnis unserer Länder zu bauen.
Welche Bedeutung hat für Sie der wissenschaftliche Nachwuchs?
Wir wollen insbesondere junge Menschen erreichen. Sie bilden das Fundament der zukünftigen deutsch-russischen Beziehungen. Mit einem Bündel verschiedener Maßnahmen möchten wir Vertrauen aufbauen und die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beider Länder zusammenbringen, zum Beispiel durch bilaterale Webseminare, Workshops oder eine Sommerschule im Altai-Gebirge. Gemeinsam mit jungen Menschen beider Länder planen wir aber auch Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit, etwa eine Fotoausstellung zum Thema „Klima und Nachhaltigkeit“. Zudem wollen wir den Wissenschaftsjournalismus stärken und starten dafür ein „Journalist in Residence“-Programm für junge Medienprofis.
Was schätzen Ihre russischen Partner am GFZ?
Neben unserer wissenschaftlichen Expertise sind hier sicherlich die großen Forschungsinfrastrukturen zu nennen, die das GFZ auszeichnen. Große Laboratorien, Satelliten oder sogenannte „Global Change Observatorien“ sind eine wichtige Plattform für weitreichende internationale Kooperationen. Uns ist zudem wichtig, auch andere Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft sowie Universitäten in unsere Aktivitäten einzubeziehen. So haben unsere russischen Partner durch das vom GFZ koordinierte Geo.X-Netzwerk direkten Zugang zu einer Reihe von Top-Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen.
Wie sind Sie in Russland vernetzt?
Das GFZ arbeitet bereits seit vielen Jahren mit russischen Institutionen zusammen. Zu unseren Partnern zählen zum Beispiel das Trofimuk-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk oder das Skolkovo-Institut für Wissenschaft und Technologie in Moskau. Eine exzellente Partnerschaft verbindet uns mit der Vernadsky-Stiftung, einer auf Nachhaltigkeitsfragen spezialisierten Nichtregierungsorganisation. Unentbehrlich für unsere Arbeit in Russland sind das Helmholtz-Büro Moskau und das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) in der russischen Hauptstadt. Beide Institutionen bieten uns einen exzellenten Zugang in die große russische Wissenschaftscommunity. Mit unserer institutionell breit aufgestellten Kampagne wollen wir zudem die Roadmap zur Deutsch-Russischen Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation öffentlichkeitswirksam flankieren.
Politisch sind die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland aktuell angespannt. Was kann die Wissenschaftsdiplomatie leisten?
Mit dem bewusst doppeldeutig gewählten Thema „Gemeinsam für ein besseres Klima“ wollen wir für ein vertrauensvolles Miteinander werben. Dazu bauen wir auf die stabile wissenschaftliche Partnerschaft unserer Länder in der Klimaforschung. Schon zu Zeiten des Kalten Kriegs, als in der Politik wenig miteinander gesprochen wurde, konnte die Wissenschaft Kanäle zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion offen halten. Aktuell haben sich die Beziehungen wieder eingetrübt. Die politische Sprachlosigkeit mit Mitteln der Wissenschaftsdiplomatie zu überwinden – auch darin liegt die große Bedeutung der deutsch-russischen Forschungskooperation.