Inspiriert vom Bauhaus
Das Bauhaus hat weltweit Spuren hinterlassen. Das müsst ihr wissen, um im Jubiläumsjahr 2019 mitreden zu können.
Längst ist das Bauhaus ein Mythos. Eine Institution im Gestern ist das Bauhaus aber nicht. Bis heute beeinflusst es Kunst, Design und Architektur. 1919 rief der Architekt Walter Gropius die neue Ausbildungsstätte für Künstler, Architekten und Gestalter in Weimar mit einem Manifest ins Leben. Namhafte Künstler wie Lyonel Feininger oder Johannes Itten, Wassily Kandinsky und Paul Klee zogen Studierende aus ganz Europa an. Aber das Bauhaus war von Anfang mehr als nur eine Schule für die „gute form“ in Handwerk oder Technik. Es war ein großes Experiment, ein bisschen Utopia, das sich allen gesellschaftlichen und politischen Fragen der Zeit öffnete, ihnen mit Leidenschaft, Verve und Radikalität begegnete.
Kein eigener Bauhausstil
Konfrontiert war die Schule immer mit einem Klima aus Populismus und festsitzenden Ressentiments. Zweimal musste das Bauhaus daher umziehen, 1925 von Weimar nach Dessau und 1932 von Dessau nach Berlin. Mit jedem Umzug wandelte sich die künstlerische Ausrichtung und Programmatik. Während die Weimarer Zeit von der „Rückkehr zum Handwerk“ und vom Aufeinanderprallen künstlerischer Strömungen wie Expressionismus, Dadaismus, Konstruktivismus und geometrischer Abstraktion bestimmt war, ist die Phase in Dessau durch die Idee einer „Einheit von Kunst und Technik“ geprägt. Einen Bauhausstil, eine einheitliche Auffassung von Kunst, Architektur und Design aber gab es nie, wenngleich die von Präzision und cartesianischen Klarheit geprägte Form heute gerne und ausschließlich dem Bauhaus zugeordnet ist. Doch ganz so einfach ist es nicht. Das Bauhaus war immer in Bewegung und voller Veränderungen, eine interdisziplinäre Werkstatt der Ideen, die selbst nach 100 Jahren und diversen Transformationen immer noch lebendig sind. Noch heute werden die innovativen Ansätze und Ideen des Bauhauses in der Architektur, im Design, in der Kunst und Gestaltung verarbeitet, weitergedacht und modifiziert.
Weg von Konventionen
Die Fotografin und Filmerin Ré Soupault schildert sehr eindringlich das gemeinsame unkonventionelle Leben am Bauhaus: Alle wollten weg von den bürgerlichen Idealen dieser Welt. Die Hausbesetzerbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre suchte das auch. Aus dem politischen Widerstand gegen den Abriss der Gründerzeitquartiere entwickelten sich neue Lebensgemeinschaften und Selbstbauinitiativen, die nicht nur ein Umlenken der Stadtbaupolitik zur Folge hatten, sondern als Experimentierfeld für nachhaltiges Denken zu sehen ist. Genau da setzt heute Arno Brandlhuber mit seiner unvermittelt authentischen, ja roughen Architektur an, die sich immer wieder an den Themen dieser Zeit reibt: Experimente wagen und Ressourcen sparen.
Hin zu neuen Ideen
Die von Gropius und seinen Schülern geplante Bauhaus-Siedlung in Weimar sollte eine gemeinschaftliche Wohnanlage werden mit Gärten zur Selbstversorgung. Dieses Konzept findet heute seine Entsprechung in der Urban Gardening-Bewegung und in den gemeinschaftlichen Baugruppenmodellen, die Leben, Wohnen und Arbeiten neu definieren. Das Ausbauhaus von Praeger Richter Architekten in Berlin ist eines dieser Gemeinschaftswohnhäuser.
Einfluss in den USA
Die Bauhäusler Walter Gropius, Xanti Schawinsky, Josef und Anni Albers brachten nach 1933 die Bauhaus-Idee mit in die USA an das Blackmountain College und prägten die amerikanische Kunstausbildung und die Moderne um Künstler wie Robert Rauschenberg, John Cage, Cy Twombly oder Franz Kline. Die konstruktivistische Kunst, die sich am Bauhaus mit László Moholy-Nagy verfestigte, beeinflusste in den 1960er-Jahren amerikanische Künstler der Minimal Art wie Donald Judd, Sol LeWitt, Dan Flavin, John McCracken, Robert Morris, Richard Serra und Tony Smith.
Zurück nach Europa
Über die USA gelangen die Transformationen der Bauhausideen wieder nach Deutschland und Europa. In Deutschland sind es die Gruppen Zero und Fluxus, die die Kunst nach 1950 mit ungegenständlichen Positionen beflügeln. Gerade die grenzüberschreitenden abstrakten Lichtexperimente der Bauhäusler Kurt Schwerdtfeger oder László Moholy-Nagy zeigten neue Wege auf. Mit ihnen eröffnete sich erstmals eine dritte Dimension zwischen Malerei, Skulptur, Film und Theater, die formal um Themen wie Zeit und Raum, Licht, Farbe, Bewegung und Rhythmus kreiste. Der Video-Künstler Volker Schreiner beispielsweise nimmt mit seinen Arbeiten Wipe Board und White Screen in rhythmisch geschnittenen Abfolgen von Formen und Farben Bezug auf diese Frühzeitexperimente des abstrakten Films.
Offen für das Material
Eine der herausragenden Besonderheiten des Bauhauses, so beschreibt Anni Albers die frühen Jahre, ist eine vorurteilsfreie Haltung gegenüber dem Material und seinen ihm eigenen Fähigkeiten. Mit Holz, Pappe, Stoffen und Fundstücken des Alltags wurden die Grundlagen für den Unterricht bestritten. In die Nähe dieser Bauhaus-Programmatik lassen sich die Arbeiten der Malerin und Bühnenbildnerin Charlotte Posenenske rücken. Mit raumgreifenden technoiden Hohlkörpern aus Pappe und Metall schuf sie in den 1960er-Jahren wandelbare Figurationen, die Kunst, Technik und Architektur verbinden.
Verbindung verschiedener Disziplinen
Den Materialprozess als Werkform für seine künstlerische Arbeit setzt Franz Ehrhard Walther in den 1960er Jahren ein mit Raumbildern aus farbigen Baumwollstoffen. Sie sind grenzüberschreitend, verbinden künstlerische Disziplinen genau wie am Bauhaus die Grenzen zwischen Architektur, Theater, Kunst und Design weichen sollten. Die Raumbilder sind Malerei wie auch Installation und Performance, denn manche der Objekte können auch vom Betrachter verändert werden.
Entdeckungen in der Weberei
Bislang viel zu wenig beachtet als Grundlage für die Abstraktion der Moderne ist die Arbeit der Bauhäuslerinnen in der Weberei. Sie waren fasziniert davon, wie Fäden ihre eigene Form finden. Die textilen farbigen Strukturen und abstrakte Formensprache der Raumteiler, Teppiche und Bezugstoffe sollten der Betrachtung dienen. Die Faszination für die eigene Sprache der Fäden teilt auch die in Berlin lebende Japanerin Chiharu Shiota. Ihre der textilen Fabrikation entlehnten Metaphern wie „Verknüpfen“, „Verketten“ oder „Vernetzen“ sind Teil ihrer abstrakt-konzeptuellen Bildsprache. Mit schwarzen Wollfäden umgarnt sie Kleider, Betten, Schuhe, Scheren, Pianos oder auch mal ganze Wohnzimmer.
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