Preisgekrönter Anti-Kriegsfilm
Der Regisseur Edward Berger gewann mit der ersten deutschsprachigen Verfilmung des Romans „Im Westen nichts Neues“ vier Oscars.
Edward Berger hat viel gewagt, als er die Regie für das Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ übernahm. Noch nie gab es zuvor eine deutschsprachige Verfilmung des 1929 veröffentlichten Anti-Kriegsromans des deutschen Schriftstellers Erich Maria Remarque über die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Erst zwei Mal wurde der weltberühmte Roman seither verfilmt, in den USA entstand schon 1930 ein mit zwei Oscar prämiertes Werk. Jahrzehnte später ging nun Berger das Wagnis ein, als deutscher Regisseur den Klassiker der Anti-Kriegsliteratur zu verfilmen. Und es zahlte sich aus: Das Drama um den 19-jährigen Soldaten Paul Bäumer wird mit Preisen überhäuft und ist gerade außerhalb Deutschlands ein riesiger Erfolg.
Dafür musste Berger eine neue Perspektive finden, um die Geschichte Bäumers und die Gräuel an der Front zu erzählen. „Der Film kommt bei uns zu Hause gut an, aber gerade auch im Ausland“, sagte Berger dem Norddeutschen Rundfunk. Er glaube, das Publikum in England und Amerika merke, „aus welcher Perspektive dieser Film erzählt ist: aus der Perspektive des Verlierers, aus der Perspektive der Sich-Schämenden, aus der Perspektive der Schuldigen“.
Vier Oscars für deutschen Film
„Das ist natürlich mehr, als wir uns je erhofft haben“, freute sich Berger Mitte März nach der Oscar-Verleihung. Vier der begehrtesten Auszeichnungen der Filmwelt bekam die Literaturverfilmung, unter anderem konnten der Regisseur und sein Team über den Oscar für den besten internationalen Film jubeln. Der Antikriegsfilm ist erst das vierte Werk aus Deutschland, das den Oscar in dieser Kategorie holte - nach „Das Leben der Anderen“ (2007), „Nirgendwo in Afrika“ (2003) und „Die Blechtrommel“ (1980). Auszeichnungen gab es auch für Kamera, Szenenbild und Filmmusik.
Das Drama war sogar für neun Oscars nominiert, auch als erster deutscher Film in der Königskategorie „Bester Film“. Die Auszeichnung ging am Ende an den Science-Fiction-Actionfilm „Everything Everywhere All at Once“.
Einen Monat vor der Oscar-Verleihung hatte Berger zusammen mit seinen Schauspielerinnen und Schauspielern schon einen ersten Triumph bei der Verleihung der Britischen Filmpreise feiern können: Sieben Baftas gewann das Kriegsdrama, darunter die Trophäe für den Besten Film. Die Bafta-Awards zählen neben den Oscars und den Gloden Globes zu den begehrtesten Auszeichnungen der Filmwelt.
„Im Westen nichts Neues ist schon jetzt einer der größten Erfolge der deutschen Filmgeschichte“, freute sich auch die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth. „Die Filmemacher hätten einen Nerv getroffen. „Es ist leider der richtige Film zur richtigen Zeit, denn er thematisiert auf erschütternde Weise die Schrecken eines Krieges mitten in Europa“, sagte Roth vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
„Im Westen nichts Neues“-Autor Remarque floh vor den Nazis ins Exil
Die Romanvorlage ist fast 100 Jahre alt. 1929 erschien das Buch, in dem der 1898 in Osnabrück in Niedersachsen geborene Erich Maria Remarque, eigentlich Erich Paul Remark, auch seine eigenen Kriegserlebnisse schilderte. Der Anti-Kriegsroman wurde in mehr als 45 Sprachen übersetzt und erreichte weltweit eine Millionenauflage. „Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde - auch wenn sie seinen Granaten entkam", heißt es im Vorwort.
Remarque ging schon Anfang der 1930er Jahre auf der Flucht vor den Nationalsozialisten ins Exil. Im Mai 1933 wurden seine Bücher in der Berliner Universität öffentlich als „undeutsch“ verbrannt, 1938 entzogen ihm die Nazis die deutsche Staatsbürgerschaft. Remarque lebte in der Schweiz und Frankreich und wanderte 1939 schließlich in die USA aus, nach Ende des Zweiten Weltkriegs erwarb er 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Im Alter von 72 Jahren starb Remarque 1970 in Locarno in der Schweiz – verbunden bleibt sein Name ungeachtet weiterer Werke bis heute vor allem mit „Im Westen nichts Neues“.
Edward Berger: Ein seit Jahren international erfolgreicher Regisseur
Auch der Name Bergers wird wahrscheinlich immer mit diesem Antikriegsdrama verbunden bleiben. Dabei feierte er schon lange vorher mit seinen Filmen international Erfolge. Der 1970 im niedersächsischen Wolfsburg geborene Berger studierte zunächst in Braunschweig, zog aber dann nach Berlin und absolvierte schließlich ein Regiestudium an der New York University. Der mit der Schauspielerin Nele Mueller-Stöfen verheiratete Berger drehte Kinofilme genauso wie Krimis und Serien für das deutsche Fernsehen, aber zum Beispiel auch die britische Miniserie „Patrick Melrose“ mit Benedict Cumberbatch. Als die Oscar-Nominierungen bekannt wurden, war Berger gerade in Rom bei Dreharbeiten für seinen neuen Film „Konklave“, die Verfilmung des Bestsellers von Robert Harris über eine Papstwahl mit Ralph Fiennes in einer Hauptrolle. Für seine Filme wurde der Regisseur bereits in der Vergangenheit mehrfach ausgezeichnet.
Sein größter Triumph ist aber bislang zweifellos „Im Westen nichts Neues“. Und was bewegte ihn, diesen Roman zu verfilmen? Das Wiedererstarken von Populismus und Nationalismus seien für ihn der entscheidende Grund gewesen, den Film zu realisieren, sagte Berger der „Deutschen Welle“ über seine Romanverfilmung, die in Teilen von der Vorlage abweicht. „Es war an der Zeit, einen Film zu machen, der uns daran erinnert, dass die die Zustände vor dem Ersten Weltkrieg vielleicht gar nicht so anders waren, dass wir wieder da angekommen sind, wo wir schon einmal waren, auch wenn wir dachten, die Zeiten würden nie mehr zurückkehren."