In Istanbul eingetaucht
Die Filmemacherin Aysun Bademsoy hat als Gast der Kulturakademie Tarabya Istanbul intensiv kennengelernt und dort bleibende Eindrücke gewonnen.
„Am Anfang“, sagt Aysun Bademsoy, „hat mich Istanbul erschlagen.“ Weil die Stadt „so mächtig, so pulsierend“ sei und dort kosmopolitische wie auch dörfliche Lebenswelten und die kulturelle, ethnische Vielfalt der ganzen Türkei kulminierten. Das Stipendium der Kulturakademie Tarabya habe ihr das Eintauchen in die Stadt ermöglicht, in der sie sich zuvor immer nur für ein paar Tage aufgehalten hatte, wenn ihre Filme auf Festivals gezeigt wurden. „Es war eine tolle und wichtige Erfahrung, eine längere Zeit dort zu sein“, sagt sie.
Welt der Istanbuler Einkaufszentren
Beworben hatte sich die Berliner Regisseurin und Drehbuchautorin für die Residenz in Tarabya mit einem Projekt über Einkaufszentren. Diese seien in der Türkei „wie Pilze aus dem Boden geschossen“, und sie habe herausfinden wollen, ob und was man in diesen Orten auch über das Leben jenseits der Geschäfte lernen könne.
Während ihrer zwei Aufenthalte als Stipendiatin in Tarabya in den Sommern 2015 und 2016 recherchierte sie in allen Istanbuler Malls, abgeschlossen hat sie ihr Projekt aber noch nicht. „Es arbeitet noch in mir“, sagt die Dokumentarfilmerin. In der Zwischenzeit beschäftigte sie sich mit einem ganz anderen Thema: dem rechtsextremen NSU-Terrornetzwerk, genauer mit den Hinterbliebenen der Ermordeten. „Eine sehr schwere und intensive Beschäftigung“ sei es gewesen, resümiert sie über ihre jüngste Arbeit, den Dokumentarfilm „Spuren – Die Opfer des NSU“, in dem sie drei von zehn Familien der Opfer porträtiert hat. Zu sehen war der 80 Minuten lange Film 2020 in den Kinos, allerdings pandemiebedingt immer wieder mit Unterbrechung.
Die in Mersin an der türkischen Mittelmeerküste geborene Aysun Bademsoy kam 1969 als Neunjährige nach Berlin, wo sie immer noch lebt. Dort studierte sie Publizistik und Theaterwissenschaft. Ende der Achtzigerjahre begann sie, Dokumentarfilme zu drehen. Einem großen Publikum wurde sie 1995 bekannt mit „Mädchen am Ball“, einer Reportage über türkischstämmige Fußballerinnen in Berlin. Seitdem begleitet sie die Frauen und hat weitere Filme über sie gedreht. Und in einem ihrer nächsten Projekte will sie sich wieder den ehemaligen Sportlerinnen widmen.
Aus Istanbul mitgenommen habe sie neben den „tollen Eindrücken“ auch Freundschaften, die sie in Berlin intensivierte – etwa zu der Malerin Franziska Klotz, die zeitgleich mit ihr Stipendiatin in Tarabya war.