Staatsaufgabe Kolonialgeschichte
Unbekannte Vergangenheit: Deutschland arbeitet gemeinsam mit Tansania die Besetzung durch das Deutsche Reich auf.
Die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte des Deutschen Reichs zwischen 1880 und 1919 sei eine Staatsaufgabe, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth zu ihrem Amtsantritt im Dezember 2021. Ein Jahr darauf hat Deutschland den Worten Taten folgen lassen. Am 20. Dezember 2022 übergaben Roth und Außenministerin Annalena Baerbock in Nigerias Hauptstadt Abuja 20 Objekte aus den fünf deutschen Museen der Benin Dialogue Group in Berlin, Hamburg, Leipzig, Stuttgart und Köln. Es sind die ersten von 1.130 Benin-Bronzen, zu deren Rückgabe Deutschland sich verpflichtet hat. Die Benin-Bronzen stehen jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit ehemaligen deutschen Kolonien. Sie waren von britischen Soldaten geraubt und verkauft worden.
Tansania hingegen stand unter deutscher Kolonialherrschaft. Es sei höchste Zeit, das Thema anzugehen, sagt die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul: Die „Geschehnisse sind sowohl in Tansania als auch in Deutschland nicht ausreichend bekannt“. Tansania war von 1885 bis 1918 Teil der im Deutschen Reich „Deutsch Ostafrika“ genannten Kolonie, die auch das heutige Ruanda, Burundi sowie kleine Teile Mosambiks umfasste. Alle Versuche, sich von der Kolonialherrschaft zu befreien, wurden brutal unterdrückt. So forderte der Maji-Maji-Krieg (1905 bis 1908) zwischen 200.000 und 300.000 Tote unter der Bevölkerung Ostafrikas.
Deutsche raubten aus Friedhöfen auch die Gebeine tausender Toter, um sie zu vermessen und zu sammeln. „Das ist Grabzerstörung, Grabfrevel, was damals wie heute hier in Deutschland strafbar gewesen wäre“, sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Deutschen Welle. Die sterblichen Überreste sollen nun zurückgegeben werden. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Ruanda und Tansania sei ihre Herkunft untersucht und zugeordnet worden, so Parzinger.
Über diese Rückführung hinaus haben das Nationalmuseum von Tansania und das Humboldt-Forum in Berlin, dessen Betreiberin die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist, ihre langjährige Zusammenarbeit zur Aufarbeitung der Geschichte in einem Kooperationsvertrag kodifiziert. Nun soll 2024 eine Sonderausstellung zur Geschichte Tansanias im Humboldt-Forum und später in Tansania gezeigt werden. Denn, so Katja Keul, „es ist ein zentrales politisches Ziel der Bundesregierung, die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen Folgen zu fördern“.