Ein Helfer in der Not
Serkan Eren ist mit seiner Organisation STELP in Krisengebieten im Einsatz – auch nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe in der Türkei.
Als Serkan Eren am 6. Februar 2023 in den Nachrichten vom Erdbeben in der Türkei erfuhr, war ihm sofort klar, dass er sich auf den Weg ins Katastrophengebiet machen würde. „Diesmal war es keine rein auf Gefühlen basierende, sondern aus Erfahrungen entstandene Entscheidung, vor Ort zu helfen“, sagt der Geschäftsführer der Hilfsorganisation STELP. Ganz anders als im Sommer 2015, als er mit seinem Freund Steffen Schuldis auf einen Fernsehbericht über Flüchtlinge auf der Balkanroute reagierte. Sie initiierten damals die Spendenaktion „Balkanroute Stuttgart“, sammelten Decken und Lebensmittel, mieteten einen Sprinter und fuhren los – ohne Vorstellung darüber, wo und wie sie die Hilfsgüter verteilen würden. Sie kamen bis an die mazedonisch-griechische Grenze. Diese Aktion war der Anfang von STELP. Der Name des gemeinnützigen Vereins, den Eren ein paar Monate nach der ersten Fahrt in ein Krisengebiet gründete, steht für STuttgart hELPs. In Stuttgart ist der Nachkomme türkischer Arbeitsmigranten nämlich zuhause.
Aus der spontanen Hilfe für Flüchtlinge ist eine weltweit agierende Organisation geworden; derzeit ist STELP an rund 20 Projekten in 14 Ländern auf vier Kontinenten beteiligt – unter anderem in Afghanistan, Syrien, Uganda, Nepal und in der Türkei, die nach dem Erdbeben dazu kam. Eren reist selbst in die Länder, in denen STELP Projekte fördert, knüpft Kontakte zu lokalen Helfern, kümmert sich nicht nur ums Organisatorische, sondern packt auch mit an. Ins türkische Erdbebengebiet brachte er selbst warme Kleidung und Decken. Weil STELP den Fokus auch auf langfristiges und nachhaltiges Engagement legt, unterstützt der Verein mit dem Fußballclub Galatasaray Istanbul als türkischem Partner den Bau von zwei Containerdörfern im Erdbebengebiet. Dass Eren sich für Menschen in Not einsetzt, hat sehr viel mit der Biografie des 39-Jährigen zu tun.
Im türkischen Erdbebengebiet: Einsatz, der an die Substanz geht
Eren gehört zur sogenannten dritten Einwanderergeneration; seine Eltern migrierten als Kinder nach Deutschland. Er kam in Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg auf die Welt. Seine Kindheit sei schwierig gewesen, berichtet er, aber sie habe ihn in gewisser Weise abgehärtet, zudem sei er dadurch aber auch empfindsam für die Not anderer. Beides seien Eigenschaften, die ihm bei seinen Aufgaben helfen. „Meist gelingt mir die Balance zwischen Empathie und Abgeklärt-Sein“, sagt er. Eines wurde während seines Einsatzes in der Türkei aber auch deutlich: Weil er die Sprache der Menschen versteht, die von ihrem Leid berichteten, ging ihm alles sehr nahe.
Serkan Erens Werdegang war nicht gradlinig. Er war Hauptschüler, schaffte es schließlich aber doch bis zum Studium an der Sportakademie; arbeitete als Fitnesstrainer und später als Sportlehrer. Er verdiente gut und kam über seine Privatkunden in Kreise, die er zuvor nicht kannte. Bis zum 14. Juli 2009. „Dieser Tag hat mein Leben komplett verändert“, erzählt Eren. Nach einem schweren Autounfall lag er mehrere Wochen im Krankenhaus und hatte Zeit zum Nachdenken. „Ich stellte fest, dass ich meine Kindheit und Jugend komplett verdrängt hatte, erinnerte mich plötzlich an den kleinen Jungen, der ich war und der sich vorgenommen hatte, Menschen in Not zu helfen.“
Den Ausschlag für sein Engagement in einem eigenen Verein gaben für ihn Fernsehbilder von Flüchtlingen auf der Balkanroute, er wollte dabei nicht zuschauen, sondern handeln. Mit konkreten Taten zu positiver Veränderung beitragen – dafür steht Erens gemeinnütziger Verein STELP, bei dem außer ihm acht weitere Hauptamtliche beschäftigt sind. 2021 ist Eren für sein Engagement als „Stuttgarter des Jahres“ ausgezeichnet worden – eine Würdigung seiner Arbeit, die ihn stolz macht.