Neustart in Deutschland
Der Exile Media Hub Brandenburg bietet geflüchteten Medienschaffenden aus aller Welt eine neue Chance in ihrem Beruf zu arbeiten.
Wer sich durch die Website der iranischen Fotografin und Filmemacherin Sareh Oyvesi klickt, sieht selbstbewusste Frauen. Die meisten im Fashion- und Modekontext, professionell ausgeleuchtet. Ein erwartbares Portfolio für jemanden, der, wie sie, seit Jahrzehnten im Geschäft ist. Und doch hatte sie in ihrer Heimat keine Zukunft. Die Art und Weise, wie sie Frauen porträtiert, war dem iranischen Regime zu progressiv. Ihre Homepage wurde vom Netz genommen, ihr Instagram-Account geblockt. „Da war mir klar, dass ich das Land verlassen muss.“
Über Georgien und die Türkei schlug sich Oyvesi nach Deutschland durch. Ihre erste Station: eine Flüchtlingsunterkunft in Frankfurt/Oder. Sechs Monate blieb sie dort, eine schwierige Zeit. „Ich wollte arbeiten, fotografieren, mich künstlerisch ausdrücken. Aber genau das durfte ich nicht als Geflüchtete mit laufendem Asylverfahren.“ Bis ein Sozialarbeiter eines Tages eine gute Nachricht hatte: Es gäbe da ein Projekt für junge, gut ausgebildete Kreative wie sie. Es unterstütze dabei, einen Job in Deutschland zu finden.
Arbeitskräfte für die Region
Seit Juli 2024 lebt Oyvesi nun im Exile Media Hub Brandenburg, einer Initiative der NGO „Media in Cooperation and Transition“ (MiCT), die weltweit Medienschaffende mit Ausbildungsprogrammen unterstützt. In Schmerwitz, einem 200-Seelen-Dorf eineinhalb Stunden südwestlich von Berlin, ist eine Unterkunft entstanden, die ursprünglich für geflüchtete ukrainische Journalistinnen und Journalisten gedacht war. „Als der Krieg ausbrach, gingen wir davon aus, dass ganze Redaktionen die Flucht ins Exil antreten. Zudem war ein kalter Winter angekündigt. Wir wollten den Ukrainerinnen und Ukrainern buchstäblich ein Winterquartier für ihre Arbeit bieten“, erklärt Klaas Glenewinkel, Co-Gründer von MiCT. Doch dann stellte sich heraus, dass ein Großteil der Medienschaffenden das Land gar nicht verlassen wollte. Und auch der Winter 2022 war nicht so hart wie befürchtet. „Wir haben dann relativ schnell umdisponiert und das Projekt für Menschen aus anderen Regionen und Berufen geöffnet.“
Verfolgte Journalistinnen und Journalisten sind unter den aktuell elf Bewohnern des Exile Media Hubs in der Minderheit. „Sie werden in Zukunft eher über das Schutzprogramm der Hannah-Arendt-Initiative der Bundesregierung kommen“, erklärt er. „Das richtet sich ganz gezielt an Journalistinnen und Journalisten in akuter Lebensgefahr, für die wir humanitäre Visa organisieren.“ Nach Schmerwitz holt MiCT inzwischen in enger Zusammenarbeit mit der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) Brandenburg junge Menschen aus ganz unterschiedlichen Medienbereichen – Podcaster, Blogger, Mediengestalter, Musiker, aber auch Programmierer oder Informatiker, die in ihrem Heimatland verfolgt wurden. „Sie sollten über so viel Erfahrung und Kompetenz verfügen, dass sie als Arbeitskräfte für die Region interessant sein könnten“, erklärt Glenewinkel.
Google und Amazon bieten Workshops
Mohammad Arif Fakorizada aus Afghanistan flüchtete vor den Taliban zunächst nach Indien und schloss dort einen Bachelor- und Masterstudium in Informatik ab. Sozialarbeiter in einer Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt vermittelten ihn in das Projekt. Arif ist ein guter Programmierer und spricht Hindi, Urdu, Farsi und Englisch – eigentlich ein idealer Kandidat für ein international orientiertes Berliner Startup. Erste Bewerbungsgespräche sind bereits angebahnt, auch Klaas Glenewinkel ist zuversichtlich: „Solche versierten Programmierer werden in der Berliner Tech-Szene gesucht.“
Von Schmerwitz aus können die geflüchteten Medienschaffenden nicht nur ihre Fühler nach Berlin oder in die Region ausstrecken, sie erhalten auch vor Ort die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Und das unter anderem mit Unterstützung von hochkarätigen Referentinnen und Referenten. Kürzlich leitete eine Mitarbeiterin von Google einen zweitägigen Workshop zur Verifikation von Fake News. Und auch das Tech-Schwergewicht Amazon kommt demnächst zu einem Training nach Schmerwitz. Dabei soll es darum gehen, wie man mithilfe von KI-Tools Apps entwickeln kann.
Von der Duldung zum Arbeitsvertrag
Die Grundidee des Exile Media Hub ist so einfach wie einleuchtend: Deutschland braucht gut ausgebildete Fachkräfte und viele Geflüchtete passen in dieses Profil. Warum diese nicht schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen identifizieren und in den Arbeitsmarkt integrieren?
Der Exile Media Hub befindet sich derzeit noch in der Pilotphase, die Finanzierung ist bis Ende 2024 gesichert. Geldgeber sind unter anderem das brandenburgische Wirtschaftsministerium und Partner aus der Privatwirtschaft. Glenewinkel ist optimistisch, dass es weitergeht. „Migration ist gerade das dominierende Thema in der Politik. Projekte mit pragmatischen Lösungen, wie der Exile Media Hub, werden dringend gebraucht.“