„Das neue Herz des jüdischen Lebens“
Der Pears Jüdischer Campus in Berlin: Ein Ort der Toleranz und des Lernens. Lest hier, wie er das jüdische Leben in Deutschland stärken und fördern soll.
Das jüdische Leben in Berlin pulsiert: Mehr als 8.200 praktizierende Juden als Mitglieder zählt die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), nur die Gemeinde in München ist größer. Mit dem Pears Jüdischen Campus im südwestlich gelegenen Stadtteil Wilmersdorf soll nun das Judentum noch stärker in den Blick der Bürgerinnen und Bürger gebracht werden. Die Eröffnung dieser Begegnungsstätte bezeichnet Rabbiner Yeuda Teichtal, der Initiator des Projekts, als einen historischen Moment, als eine neue Chance für ein friedvolles Miteinander. „Der Campus ist ein Leuchtturm von Licht und Toleranz“, sagt er, „ein Ort des starken, religionsübergreifenden und offenen Dialogs. Mit ihm wollen wir eine neue Ära des jüdischen Lebens in Berlin und in Deutschland einläuten.“ Dabei soll der Campus nicht in die Vergangenheit blicken, sondern in die Zukunft. Und ins Hier und Jetzt.
Jüdisches Leben in Berlin noch sichtbarer machen
Über sieben Etagen strebt der geschwungene, blau gekachelte Bau himmelwärts. In dem neu gebauten Campus finden sich auf rund 8.000 Quadratmetern eine Bibliothek, ein Kunstatelier, ein Musiksaal und ein koscheres Restaurant, aber auch eine Kita sowie eine Grundschule mit angeschlossenem Gymnasium. Letzteres betont in seiner Selbstdarstellung „ein starkes jüdisches Fundament“, unter anderem mit Hebräisch und Englisch ab der ersten Klasse; dennoch, so betont Rabbiner Teichtal, stehen die Bildungseinrichtungen ebenso wie der Rest des Campus grundsätzlich allen Bürgerinnen und Bürgern offen. „Wir unterscheiden nicht zwischen Juden, Muslimen, Christen und Hindus, ebenso wenig wie nach Hautfarbe oder sexueller Orientierung“, sagt er. „Bei uns ist jeder willkommen.“ Diese Haltung ist die Basis für Teichtals Vision, ebenso wie der Wunsch nach Aufklärung. „Jeder in Deutschland hat in der Schule etwas über die Shoa gehört“, sagt er, „aber wie viele Bürgerinnen und Bürger wissen überhaupt, was ein Jude ist? Was machen wir, wie leben wir? Dabei geht es noch nicht einmal um religiöse Fragen oder um historische, sondern um soziale Aspekte, um ein gemeinsames Leben voller Respekt und Verständnis. Genau diesen Austausch brauchen wir, gerade jetzt, wo der Antisemitismus wieder stärker wird“. Der Campus solle die Gegenwart des jüdischen Lebens stärken und zeigen, wie wir in einer pluralistischen Gesellschaft miteinander umgehen und voneinander lernen können. „Dafür ist der Campus geschaffen worden, nicht nur für die Aufarbeitung der Geschichte oder gar für einen theologischen Disput. Übrigens gibt es aus genau diesem Grund auch keine Synagoge auf dem Gelände.“
Die Idee für das 40-Millionen-Euro-Projekt hatte Rabbiner Teichtal schon 2013. Jahrelang agierte er als Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Und es hat sich viel getan: So gründete er 2007 ein jüdisches Bildungszentrum, das inzwischen zu den größten seiner Art in Europa gehört, baute ein modernes Ritualbad und etablierte ein jüdisches Studentenzentrum. Mit dem Jüdischen Campus konnte Rabbiner Teichtal nun einen lang gehegten Traum realisieren, der weit über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen gesorgt hat und der nicht nur von der Pears Foundation, sondern auch von der Bundesregierung, vom Bundesland Berlin und von zahlreichen weiteren Spendern finanziert wurde. Das Interesse an dem Projekt ist groß – unter anderem zählten die Staatssekretärin des Bundesinnenministeriums, Juliane Seifert, Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Israels Botschafter Ron Prosor, den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und den sephardischen Oberrabbiner Israels, Yitzhak Yosef, zu den Eröffnungsgästen.
Obwohl der Bau des Campus ein bemerkenswerter Kraftakt war – zwischen Grundsteinlegung und Eröffnung liegen gerade einmal fünf Jahre –, beginnt die eigentliche Arbeit doch erst jetzt, da das Konzept von der Bevölkerung auch angenommen werden muss. Die ersten zwei Monate haben die Erwartungen von Rabbiner Teichtal auf jeden Fall bereits übertroffen: „Wir haben seit der offiziellen Eröffnung viele Besucher, die auf uns zukommen und uns ihre Unterstützung zusagen – und die überwiegende Mehrheit, etwa 80 bis 90 Prozent, sind noch nicht einmal praktizierende Juden. Jetzt, wo in Berlin die Schule wieder beginnt, beleben zusätzlich auch die Schülerinnen und Schüler aus unserer Gemeinde das Haus.“