Botschafterin für junge Jüdinnen und Juden
Anna Staroselski engagiert sich für junge Jüdinnen und Juden in Deutschland. Lest hier, warum dabei die deutsch-israelische Zusammenarbeit so wichtig ist.
Anna Staroselski zeigt mit ihrer Arbeit: Die jüdische Community in Deutschland ist vielfältig – und zahlreiche junge Jüdinnen und Juden engagieren sich aktiv in der deutschen Gesellschaft. Die 27-Jährige ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Als Tochter jüdischer Kontingentflüchtlinge aus der Ukraine in der damaligen Sowjetunion ist sie in Stuttgart geboren und aufgewachsen. Sie studiert Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet seit fünf Jahren als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag für Abgeordnete der FDP. Wir haben mit ihr über ihr Engagement gesprochen.
Frau Staroselski, bereits während Ihrer Schulzeit waren Sie gewählte Bezirksvorsitzende des Stuttgarter Jugendrats Süd und arbeiteten ehrenamtlich als Jugendbetreuerin für die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. Aktuell engagieren Sie sich für gleich zwei Verbände. Was motiviert Sie?
Ich möchte das gesellschaftliche Zusammenleben mitgestalten und bin der Ansicht, dass sich in einer Demokratie jeder Einzelne einbringen und etwas verändern kann. Dabei ist es mir wichtig, die jüdische Kultur an jüngere Generationen weiterzugeben und sie bei der Stärkung ihrer jüdischen Identität zu unterstützen. Auch ich musste den Weg zu meinem jüdischen Selbstbewusstsein erst finden. Meine Eltern, die vor ihrer Migration nach Deutschland bis in die 1990er-Jahre in der Ukraine lebten, hatten damals, in der Sowjetunion, keine Möglichkeit zur religiösen Praxis. In unserer Familie ging daher viel Wissen über die jüdische Tradition verloren. Mir war bewusst, dass ich Jüdin war, ohne genau zu verstehen, was es bedeutet. Als Jugendliche war ich deshalb froh, dass es Angebote der jüdischen Gemeinde gab, mehr über das jüdische Leben zu erfahren. Durch die Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte und Kultur habe ich das Judentum und die Vielschichtigkeit des „Jüdischseins“ kennen und lieben gelernt. Dieses Wissen möchte ich weitergeben.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihren Ämtern?
Als Präsidentin der JSUD, der ersten politischen und bundesweiten Interessenvertretung junger Jüdinnen und Juden in Deutschland, geht es mir darum, die Anliegen, Bedürfnisse und Ideen jüdischer junger Menschen in die Gemeinden und in die deutsche Gesellschaft hineinzutragen. Ich möchte Debattenräume eröffnen und politische Prozesse mitgestalten. Mir ist hierbei wichtig, den überparteilichen Dialog zu fördern und die verschiedenen Strömungen des Judentums zusammenzubringen. Noch viel zu häufig werden Jüdinnen und Juden mit Antisemitismus konfrontiert. Einige wollen deshalb ihre jüdische Identität verstecken. Das müssen wir ändern.
Ich bin der Ansicht, dass wir ein noch differenzierteres Bild über jüdisches Leben in Deutschland brauchen: Das Wort „Jude“ wird häufig leider immer noch alleinig mit Antisemitismus, dem Holocaust oder dem israelisch-palästinensischen Konflikt assoziiert.
Welche Facetten des jüdischen Lebens sollten im Zentrum der Wahrnehmung stehen?
Ich möchte auf die positiven Seiten und die Diversität der jüdischen Community in Deutschland aufmerksam machen. Viele junge Jüdinnen und Juden gestalten diese Gesellschaft aktiv mit. Das „Jüdische“ ist ein Teil ihrer Persönlichkeit, die aus zahlreichen verschiedenen Facetten besteht. Als Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft liegt mein Fokus auf dem Werben für die bilaterale Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel: Die deutsch-israelische Zusammenarbeit hat in vielen Bereichen enormes Potenzial. Beide Länder können viel voneinander lernen, dafür möchte ich den zwischenstaatlichen Diskurs stärken. Ich freue mich im Bundespräsidium die Perspektive junger Jüdinnen und Juden miteinbringen zu dürfen.
Was haben Sie mit Ihrer ehrenamtlichen Arbeit erreicht?
Vor meiner Vizepräsidentschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft war ich Vorsitzende des Jungen Forums, der Organisation für Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im Alter zwischen 14 und 35 Jahren. In dieser Zeit haben wir gemerkt, dass sich mehr junge Menschen für die deutsch-israelische Freundschaft interessieren. Aktuell ist fast die Hälfte der Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft jünger als 35 Jahre – ein großer Erfolg.
Auch mit der JSUD ist es mir gelungen, die junge jüdische Kultur und deren Vielfalt in Deutschland deutlich sichtbarer zu machen. 2022 haben wir in Deutschland das Festjahr zu 1.700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland gefeiert. Mit der JSUD haben wir zahlreiche Veranstaltungen und Kampagnen organisiert. Meine Generation junger Jüdinnen und Juden ist selbstbewusst, widerstandsfähig und politisch aktiv. Das freut mich sehr.
Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur durch einen gemeinsamen Einsatz zu bewältigen ist. Für ein Zusammenleben in einer freien und wehrhaften Demokratie liegt es in unser aller Verantwortung, auch im Alltag gegen die Verbreitung von Ressentiments, Hass und antisemitischen Narrativen anzukämpfen.