Gewachsene Nähe
In der deutsch-polnischen Grenzregion engagieren sich Menschen und Behörden im Zeichen der Corona-Pandemie für Zusammenhalt.
Corona trennt. Das erleben Menschen in diesen Tagen der anschwellenden Pandemie fast überall in Europa. Aber die Corona-Krise verbindet eben auch. Sie weckt Solidarität und Hilfsbereitschaft. Besonders eindrücklich ist das derzeit im deutsch-polnischen Grenzgebiet zu beobachten. An Oder und Neiße zeigt sich nicht nur, wie eng Wirtschaft und Gesellschaft in Ost und West bereits miteinander verwoben sind. Die Nachbarn sind auch zu unbürokratischer Unterstützung bereit. So zahlen die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen polnischen Berufspendlerinnen und -pendlern seit Neuestem ein Tagesgeld, damit sie sich eine Unterkunft am Arbeitsort leisten können.
Tagegeld mildert Folgen der Quarantäne
Hintergrund ist ein Erlass der Regierung in Warschau, die eine 14-tägige Quarantäne für alle Heimreisenden verfügt hat. Die Furcht vor einer weiteren Ausbreitung der Pandemie war einfach zu groß. Für Pendler in deutsch-polnischen Metropolregionen wie Stettin, Frankfurt/Słubice oder Görlitz/Zgorzelec war das allerdings ein schwerer Schlag. Sie standen vor der Wahl, zu Hause zu bleiben und im Zweifel ihre Arbeit im Nachbarland zu verlieren, oder die zusätzlichen Kosten für eine Unterkunft in Kauf zu nehmen. Nun ist ihnen wenigstens ein Teil der Sorgen genommen. Ungewissheit aber bleibt: „Wir wissen gerade nicht, wie das Leben weitergeht“, erzählen Betroffene wie der 50-jährige Jacek Kotuła aus Słubice.
Lob für deutsche Behörden
Lob gibt es auf deutscher Seite in Stettin für das schnelle und unbürokratische Vorgehen der Behörden westlich der Oder. „Die Deutschen handeln blitzartig“, titelte die „Gazeta Wyborcza“, eine der wichtigsten Tageszeitungen in Polen. Allerdings bleibt die historische Ausnahmesituation eine riesige Herausforderung für die Verantwortlichen auf beiden Seiten. So ärgert sich etwa Rafał Gronicz, der Bürgermeister von Zgorzelec, über manche Entscheidung im fernen Warschau. Wie eng die Regionen längst vernetzt seien, könnten sich manche Politiker in der Hauptstadt offenbar nicht vorstellen. Als Beispiel nennt er die deutsch-polnische Zusammenarbeit in der grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung und der Schwangerschaftsbegleitung. „Was in Warschau seltsam erscheint, ist hier bei uns Alltag“, sagt Gronicz dem deutschen Sender MDR. Und das lässt hoffen, dass die gewachsene Nähe die erzwungene Trennung überlebt.