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„Krisen treffen Frauen stärker“

Was dagegen getan werden muss, dass Frauenrechte in Krisen gefährdet werden, erklärt Elke Ferner, Vorsitzende von UN Women Deutschland.

Christina Iglhaut, 12.08.2022
Elke Ferner kämpft seit fast 40 Jahren für Gleichberechtigung.
Elke Ferner kämpft seit fast 40 Jahren für Gleichberechtigung. © Deutscher Frauenrat

Elke Ferners Engagement für Frauenrechte wurde mit zehn Jahren entfacht. In dem Moment, als ihre Grundschullehrerin eine Empfehlung für das Gymnasium aussprach und ihr Vater fragte: „Warum Abitur? Das Mädchen heiratet ja sowieso mal.“ Das hat die ehemalige parlamentarische Staatssekretärin, Mitglied im Vorstand des Deutschen Frauenrats und Vorsitzende von UN Women Deutschland geprägt. Seit Jahrzehnten setzt sie sich für Frauenrechte und das Recht von Frauen auf ein Leben selbstbestimmtes Leben frei von Diskriminierung, Gewalt und Armut ein.

Frau Ferner, es herrscht Krieg in Europa, wir ringen immer noch mit der Corona-Pandemie und der Klimawandel schreitet voran. Wie beeinflussen diese Krisen ihre Arbeit?
Die aktuellen Krisen verleiten diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen, leider zu der Einstellung: Wir haben jetzt gerade Wichtigeres zu tun. Krisen sind aber nicht geschlechtsneutral – im Gegenteil! Sie treffen Frauen härter, gefährden ihre Rechte und bereits erreichte Fortschritte. Die Corona-Pandemie hat zu einer Retraditionalisierung der unbezahlten Sorgearbeit geführt. Die Folgen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwemmungen treffen Frauen stärker, da sie in vielen Teilen der Welt für die Landwirtschaft und die Ernährung der Familie verantwortlich sind.

Gleichstellung muss zum Leitprinzip in allen Politikfeldern werden.
Elke Ferner, Vorsitzende UN Women Deutschland

Wie sollte die Politik darauf reagieren?
Wenn wir Geschlechtergleichheit im Rahmen der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDG) bis 2030 erreichen wollen, müssen alle Maßnahmen, Gesetze und Ausgaben zu Fortschritten bei der Gleichstellung von Frauen und Männern führen. Deshalb brauchen wir ein Gender Impact Assessment, mit dem die Wirkungen aller Maßnahmen bereits im Vorfeld eingeschätzt werden kann. Gleichstellung muss zum Leitprinzip in allen Politikfeldern werden und alle sollten sich bewusst sein, dass bereits erreicht Fortschritte nicht sicher sind, sondern aktiv verteidigt werden müssen. Außerdem müssen wir das Bewusstsein für diese Ungleichheiten in der Gesellschaft weiter stärken.

Wie wichtig ist internationale Zusammenarbeit auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter?
Noch kein Land hat vollkommene Gleichstellung erreicht, aber manche sind dem „Paradies“ schon etwas näher. Wir müssen voneinander lernen. Vieles funktioniert in Deutschland schon gut, wir haben zum Beispiel aktuell ein paritätisches Kabinett, aber von Parität im Bundestag sind wir noch weit entfernt. Da können wir uns eine Scheibe von Island, Schweden oder Ruanda abschneiden. Es gibt auch viele wichtige internationale Übereinkommen, beispielsweise die UN-Frauenrechtskonvention. Doch obwohl sie von fast allen Mitgliedsstaaten gezeichnet und ratifiziert wurde, ist sie die unbekannteste aller Konventionen. Das alles müssen wir ändern.

 


UN Women ist weltweit in über 90 Ländern im Einsatz. Der Fokus liegt einerseits auf der Arbeit mit Regierungen, andererseits auf konkreter Projektarbeit vor Ort. UN Women Deutschland unterstützt diese Arbeit als eines von weltweit zwölf nationalen Komitees.

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