Starke Frauen, starke Demokratien
Botschafterin Marian Schuegraf erklärt am Beispiel des Netzwerks UNIDAS, wie Deutschland die feministische Außenpolitik umsetzt.
Ein Frauennetzwerk als zentraler Bestandteil der Lateinamerika- und Karibik-Initiative des Auswärtigen Amts – das ist etwas Besonderes. Unter der Schirmherrschaft der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock stärkt das Netzwerk UNIDAS die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen. 2023 fand das Treffen des Netzwerks im kolumbianischen Cali statt. Treffen wie diese – für Botschafterin Marian Schuegraf sind sie eine Herzensangelegenheit.
Frau Botschafterin, was heißt für Sie feministische Außenpolitik, welche Rolle spielt sie bei Ihrer Arbeit in Lateinamerika?
Ziel ist es, gleiche Bedingungen für Frauen zu schaffen, mit Konzentration auf drei Themen: Rechte, Repräsentanz und Ressourcen. Auch geht es um die Umsetzung der UN-Resolution zu Frauen, Frieden und Sicherheit.
Welche konkreten Initiativen der Bundesregierung stehen für eine feministische Außenpolitik in Kolumbien?
Es beginnt damit, dass wir das Thema in der Regierungszusammenarbeit immer wieder ansprechen: Wo sind Interessensüberschneidungen, wo können wir uns gegenseitig stärken? Die kolumbianische Vize-Staatspräsidentin ist auch Ministerin für Gleichstellungsfragen. Das ist eine besonders gute Voraussetzung für eine Zusammenarbeit und deshalb haben wir den Aufbau dieses Ministeriums massiv gefördert. Denn es geht nicht nur um die Gleichstellung von Frauen. Ein anderer Schwerpunkt sind Indigene und der Kampf gegen sexuelle und rassistische Diskriminierung. Letztendlich geht es um gleiche Chancen für alle.
Was sind die Hauptziele von UNIDAS?
Strategien gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide sind gerade in Lateinamerika ein wichtiges Thema. Es soll aber nicht nur um sexuelle Gewalt gehen – sondern darum, Frauen zu stärken auf ihrem Weg zu mehr Teilhabe in der Gesellschaft. Frauenrechte und Demokratie, beides geht Hand in Hand. Auch die wirtschaftliche Teilhabe ist wichtig.
Wie funktioniert das Netzwerk?
Die Strukturen von UNIDAS haben ein Niveau erreicht, das es auf unkomplizierte Weise ermöglicht, Projekte und Organisationen zu fördern, die sich für Frauen einsetzen. Und das in verschiedenen Bereichen: gegen häusliche Gewalt, für Frauen in der Wirtschaft, für die Umwelt. Viele Umweltaktivistinnen in Kolumbien werden bedroht, sind in Lebensgefahr. Dazu zählt auch Francia Márquez, die Vize-Präsidentin des Landes, die bei dem Treffen in Cali von UNIDAS ausgezeichnet wurde. UNIDAS verbindet die lokale Ebene mit Frauen, die in den 33 Ländern Lateinamerikas und der Karibik auf regionaler Ebene einen Beitrag leisten. Ein Beispiel: Zu UNIDAS gehören auch Umweltaktivistinnen aus dem Amazonas. Das Netzwerk verbindet sie mit Unterstützerinnen der ersten Stunde wie der ehemaligen Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen und Ex-Präsidentin Chiles, Michelle Bachelet.
2022 wurde die Bewegung „Ni una menos“ aus Argentinien von UNIDAS ausgezeichnet. Warum haben Sie diese Bewegung ausgewählt?
„Ni una menos“, auf Deutsch „Nicht eine weniger“, ist in der ganzen Region bekannt, inzwischen gibt es Ableger in anderen Ländern. Diese Gruppe von Frauen aus unterschiedlichen Kontexten in Argentinien hat sich sehr engagiert und kämpferisch eingesetzt. Immer wieder sind sie auf die Straße gegangen: für Frauenrechte, für legale Schwangerschaftsabbrüche. Das hat zu einem Politikwechsel in Argentinien geführt und ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie sich zivilgesellschaftliches und frauenrechtliches Engagement tatsächlich auswirken können.
Warum wurde 2023 Kolumbien für das Treffen des UNIDAS-Netzwerks ausgewählt?
Wo es Bürgerkrieg und gewaltsame Konflikte gibt, sind Frauen überproportional die Leidtragenden, auch hier in Kolumbien. Es gibt viel tödliche Gewalt, aufgrund der Präsenz verschiedener bewaffneter Gruppen, unter anderem Drogenkartelle. Das wirkt sich auf unterschiedliche Art und Weise aus: Das Vertrauen der Gesellschaft in die Politik ist niedrig. Dies begünstigt Instabilität in der Region durch Polarisierung und Populismus und führt zu einer Schwächung der Demokratie. Dem wollen wir entgegenwirken. Deshalb stärken wir Frauen, die sich für die Stärkung der Demokratie einsetzen. Frauen, Frieden und Sicherheit – da gibt es einen engen Zusammenhang, das wurde beim UNIDAS-Treffen in Cali deutlich.
Welche großen Fragen stellen Sie sich in der internationalen Zusammenarbeit – und wie passt UNIDAS da hinein?
In der aktuellen geopolitischen Polarisierung stellen sich zum Beispiel Fragen wie: Wo steht der Westen eigentlich? Wie führen wir die Errungenschaften der Aufklärung fort? Wie gehen wir mit dem Erbe des Kolonialismus um? Es ist völlig richtig, dass wir uns verstärkt um den sogenannten Globalen Süden kümmern und schauen, wie wir den Austausch mit diesen Ländern weiterentwickeln. Dabei ist ein Netzwerk wie UNIDAS ein Baustein, der die Frauen zusammenbringt – ein Anliegen, das in vielen Ländern der Region im politischen Trend liegt.
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Bevor Marian Schuegraf im August 2022 die Leitung der Deutschen Botschaft in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá übernahm, war sie Beauftragte für Lateinamerika und Karibik im Auswärtigen Amt in Berlin. Ab September 2023 ist sie EU-Botschafterin in Brasilien.