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Rockmusiker Wolfgang Niedecken über Hilfe für ehemalige Kindersoldaten

Wolfgang Niedecken, Frontmann der populären Band BAP aus Köln, engagiert sich für ehemalige Kindersoldaten in Afrika. Ein Interview.

11.02.2015
© dpa/Frank May - Kindersoldaten

Wolfgang Niedecken ist Mitbegründer des Entwicklungshilfeprojekts „Rebound“,  das im übertragenen Sinn zweite Chance bedeutet. Aktuell unterstützt es kriegsgeschädigte Jungen und Mädchen an zwei Standorten in Ostkongo. Für sein Engagement ist Niedecken mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.

Herr Niedecken, Sie engagieren sich schon seit vielen Jahren für die Hilfsaktion „Gemeinsam für Afrika“. Was war der Auslöser, sich mit dem Projekt „Rebound“ besonders für ehemalige Kindersoldaten einzusetzen?

Meine erste Reise mit „Gemeinsam für Afrika“ führte 2004 nach Nord-Uganda ins damalige Bürgerkriegsgebiet. Was ich dort sah, hat mich nicht mehr schlafen lassen. Es war wie ein  Alptraum. Immer wieder hörte ich davon,  wie Kinder entführt und zu Kindersoldaten abgerichtet wurden. Sie wurden dann in ihre Dörfer zurückgeschickt und gezwungen, Verwandte umzubringen. Danach war ihr Weg zurück in ihre Familien endgültig zerstört. Es war für mich unfassbar. Wir waren zu Besuch in einem „Reception Center“, das die Hilfsorganisation „World Vision“ eingerichtet hatte. Dort wurden Kinder aufgenommen, die bei den Gefechten überlebt hatten. Doch das war alles ganz rudimentär, es gab beispielsweise keine ausgebildeten Psychologen. Freunde und ich haben dann gesagt, wir müssen etwas unternehmen für diese Kinder – denn es sind ja unschuldige Kinder, denen Schreckliches angetan wurde. So haben wir das Projekt „Rebound“ gegründet, das unter der Verwaltung von „World Vision“ arbeitet.

Wie arbeitet „Rebound“ konkret?

Es geht darum, Kinder in Bürgerkriegsländern  – der korrekte Begriff ist „war affected youth“ – aufzufangen. Ihnen wird psychologische Hilfe und Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen angeboten. Sie bekommen die Möglichkeit, ein Handwerk zu erlernen, um sich dann wieder in die Gesellschaft eingliedern zu können. Was schwer genug ist. Dennoch, was wir da tun, macht Sinn.

Ist das Thema Kindersoldaten in Deutschland heute mehr im öffentlichen Bewusstsein als noch vor zehn Jahren?

Es gibt immer mal wieder Interesse, aber eine anhaltende Medienaufmerksamkeit ist nicht wirklich vorhanden. Es ist ein Thema, bei dem weggezappt und weitergeblättert wird. Dabei brauchen wir Unterstützung – auch finanzielle.

Wie wird „Rebound“ finanziert?

Anfangs hat der deutsche Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin den Löwenanteil gestiftet. Aber Manfred Hell ist nicht mehr Chef von Jack Wolfskin und die neuen Leute haben den Vertrag nicht mehr verlängert – was ihr gutes Recht ist. Also machen wir als Band jetzt ganz viel mit unseren Fans. BAP ist  Versteigerungsweltmeister für Rebound. Wir haben auf den Tourneen immer einen Stand zu dem Thema. Unsere Fans sind sehr aktiv, die tragen das mit. Es gibt von uns ja auch den Song „Noh Gulu", der von den Kindersoldaten handelt. Zudem haben wir das Glück, dass der deutsche Fernsehsender RTL beim Spendenmarathon für „Rebound“ Geld sammelte, das reicht erst mal für das nächste Projekt. Aber ich bin ständig auf der Suche nach weiteren Sponsoren.

Nach dem Start in Uganda liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit jetzt in Ostkongo. Warum?

In Uganda herrscht kein Bürgerkrieg mehr und es macht keinen Sinn, dort dem Bildungsministerium die Arbeit abzunehmen. Die Lage in Ostkongo sieht dagegen ganz anders aus – dort herrscht Anarchie. Die Zusammenarbeit muss immer genau überlegt sein und den Entwicklungen angepasst werden. Auch in Notsituationen ist oft Korruption ein Problem. Aber das kann nicht als Entschuldigung gelten. Wir können ja nicht sagen: Kinder, ihr müsst erst mal die Korruption in den Griff kriegen, dann helfen wir euch. Das wäre weltfremd.

Sie waren schon immer ein engagierter Künstler...

Man muss machen, was man für richtig hält. Ich kann keinem hinter die Stirn schauen und wissen, warum der Kollege X bei einer Benefizaktion mitmacht und ein anderer nicht. Ich weiß, was hinter meiner Stirn vorgeht und es gibt einfach Sachen, da empfinde ich es als Privileg, etwas verändern zu können, etwas zu verbessern. Und wenn es nur für ganz wenige ist. Ich bilde mir nicht ein, ich könnte das Thema Kindersoldaten aus der Welt schaffen. Aber ich kann durch unsere neunmonatigen Kurse für bis zu 100 Kinder eine Zukunft möglich machen. Dazu gehören auch Mädchen, die in den Kriegswirren von ihren Familien getrennt wurden, in die Prostitution geraten sind, weil ihnen keine andere Möglichkeit sich zu ernähren geblieben ist. Ich habe selber zwei Töchter, ich sehe in all diesen Kindern meine eigenen Kinder vor mir.

Wie sind die weiteren Pläne für „Rebound“?

Das ist vom Geld abhängig.  So ein Zentrum, das wir für drei Jahre offenhalten, kostet zwischen 200.000 und 300.000 Euro. Das kommt nicht aus der Portokasse, da kann BAP noch so viel versteigern. Mein Wunsch wäre, dass die Coltan-verarbeitende Industrie mal ordentlich was dazu gibt. Denn die machen mit der Rohstoffausbeutung der in Ostkongo geförderten seltenen Metalle reichlich Profit. Aber da rede ich mir Fransen an die Lippen. 

Internationaler Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten am 12. Februar

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