„Suezkanal auf Schienen“
Siemens baut Ägyptens erste Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke. Die Bundesregierung hat die Trasse zum Mittelmeer begrüßt.
Ein „historisches“ Bauprojekt nennen es die Beteiligten. Entsprechend hochkarätig fiel die Gästeliste bei der Unterzeichnung eines Vertrags der ägyptischen Regierung mit einem Konsortium um das deutsche Unternehmen Siemens Mobility am 1. September 2021 aus. Anwesend war neben dem deutschen Botschafter und Konzernspitzen auch Ägyptens Premierminister Mustafa Madbuli. Besiegelt wurde der Bau der ersten Hochgeschwindigkeitsstrecke des Landes mit elektrifiziertem Passagier- und Güterverkehr. Das Milliardenprojekt soll das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbinden – daher auch die Bezeichnung „Suezkanal auf Schienen“ für das Vorhaben.
Der Begriff ist derzeit besonders symbolträchtig. Im März 2021 hatte das auf Grund gelaufene Containerschiff „Ever Given“ den Suezkanal blockiert und für einen Superstau gesorgt. Der Vorfall verdeutlichte, wie anfällig die Lieferketten zwischen Asien und Europa sind. Auch hier soll das ägyptische Hightech-Projekt für Verlässlichkeit sorgen. Zugleich wurde es von Beobachtern als Zeichen gewertet, dass der Westen bei Infrastrukturprojekten in Afrika und dem Nahen Osten weiter mit China konkurrieren kann.
Der geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach von „einer Systementscheidung für die innovative europäische Bahntechnologie“. Der Bau sichere und schaffe in beiden Ländern zahlreiche Arbeitsplätze und unterstützte Ägypten beim Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur. Laut Siemens Mobility sollen mehr als 30 Millionen Menschen jährlich die Bahnstrecke nutzen und dabei nur etwa halb so lange wie derzeit unterwegs sein. Der Bau werde mehr als 15.000 Arbeitsplätze im Land schaffen. Tausende weitere Jobs könnten bei Lieferanten und in anderen Wirtschaftsbereichen entstehen.
Deutsche Technik für Ägypten
Der Vertrag über rund 3 Milliarden US-Dollar umfasst den Bau und Betrieb einer 660 Kilometer langen Trasse. Sie soll Ain Sukhna am Roten Meer mit den Mittelmeerhäfen in Marsa Matruh und Alexandria verbinden. Insgesamt umfasst das Projekt 4,5 Milliarden US-Dollar. Neben dem Bau ist die schlüsselfertige Entwicklung von Design bis Inbetriebnahme sowie Wartungsservices für 15 Jahre Teil des Vertrags. Siemens Mobility liefert zudem Regional- und Hochgeschwindigkeitszüge, Lokomotiven für den Güterverkehr, technische Steuerungsanlagen und das Stromsystem. Das Unternehmen ist laut eigenen Angaben seit den 1960er-Jahren einer der Marktführer im ägyptischen Verkehrssektor.
Die Konzernvertreter unterstrichen bei dem Termin besonders die Sicherheit der neuen Bahnstrecke, die nach europäischen Standards errichtet werde. Denn die aktuelle Schieneninfrastruktur Ägyptens ist veraltet und es kam immer wieder zu Unfällen. Verkehrsminister Kamel Al-Wazir würdigte die neue Trasse bei der Vertragsunterzeichnung als „schnelles, modernes und sicheres Transportmittel“ und als „großen Sprung“: „Dieser Hochgeschwindigkeitszug wird die Infrastruktur der Gebiete, die er durchquert, stärken und dazu beitragen, die Zersiedlung der Landschaft zu überwinden.“
Der „Suezkanal auf Schienen“ ist dabei erst der Auftakt. Regierung und Konsortium planen ein 1.800 Kilometer umfassendes Hochgeschwindigkeitsnetz. Zwei zusätzliche Strecken sollen den Großraum Kairo entlang des Nils mit dem Hafenort Safaga am Roten Meer verbinden und bis zur südlichsten Stadt des Landes, Assuan, reichen. Stopps in Luxor und dem beliebten Urlaubsort Hurghada dürften auch ausländische Besucher interessieren. Verkehrsminister Al-Wazir erwartete deshalb positive Effekte für den Tourismus. Die soll es ebenfalls für die Umwelt geben. Das voll elektrifizierte System wird laut Siemens Mobility die CO2-Emissionen im Vergleich zum derzeitigen Ausstoß von Autos und Bussen auf den Strecken um 70 Prozent senken. Dies helfe, die Lebensqualität von Millionen von Menschen zu verbessern, sagte Roland Busch, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG.