Steinmeier bittet um Vergebung für deutsche Gräueltaten
Der deutsche Bundespräsident spricht auf der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands.
80 Jahre ist der Warschauer Aufstand her, als die Warschauer Bevölkerung und die polnische Heimatarmee sich gegen die Nazi-Besatzer erhoben und 80 Jahre ist es her, dass die Nazi-Verbrecher abertausende Menschen ermordeten und die polnische Hauptstadt fast vollständig zerstörten.
„Jedes Wort scheint zu schwach für dieses Grauen. Darum möchte ich nur einen Satz sagen. Er kommt aber ganz und gar von Herzen und ist ganz und gar ernst gemeint: Ich bitte, gerade heute und gerade hier, um Vergebung“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der zentralen Veranstaltung mit Polens Präsident Andrzej Duda. Steinmeier ist erst der zweite Deutsche, der bei einer Gedenkfeier zum Warschauer Aufstand sprechen darf.
Roman Herzog sprach 1994 auf Einladung Lech Walesas in Warschau
Jahrzehntelang war es undenkbar, dass ein Deutscher auf dieser Feier des polnischen Freiheitswillens und der gleichzeitigen Katastrophe für die Menschen und die Stadt auftreten könnte. Erst 1994 traf Präsident Lech Walesa eine mutige Entscheidung und unternahm einen großen Schritt der Versöhnung: Er lud den damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog ein, auf der Gedenkveranstaltung zu reden. Herzog sagte damals: „Es erfüllt uns Deutsche mit Scham, dass der Name unseres Landes und Volkes auf ewig mit dem Schmerz und dem Leid verknüpft sein wird, die Polen millionenfach zugefügt wurden“.
Die polnische Heimatarmee hatte sich 1944 gegen die deutschen Besatzer erhoben, einerseits in der Hoffnung, diese vor Eintreffen der sich nähernden Sowjetischen Armee zu vertreiben, andererseits aber wohl auch in der Hoffnung, von dieser unterstützt zu werden. Diese stoppte aber am anderen Ufer der Weichsel und leistete den Aufständischen keine Hilfe. Die Folgen für Warschau waren katastrophal. Nach 63 Tagen mussten die militärisch unterlegenen Polen nach verzweifeltem Kampf gegen die deutschen Truppen kapitulieren. Abertausende Zivilisten wurden ermordet und Warschau wurde auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers weitgehend zerstört. 90 Prozent aller historischen Gebäude, darunter das Königsschloss, wurden gesprengt; ebenso alle Brücken und Industriegebäude.
„Der Warschauer Aufstand gehört zu den grausamsten Kapiteln in der langen Geschichte, die unsere beiden Völker, die Polen und Deutsche, miteinander teilen. Und er gehört zu den heldenhaftesten Kapiteln der polnischen Geschichte“, sagte Steinmeier in seiner Rede. Er betonte, dass es gerade angesichts dieser Geschichte eine besondere Ehre sei, an dem Gedenktag in Polen sprechen zu dürfen. Steinmeier zog einen Bogen von dem unbedingten Freiheitswillen 1944 zu den polnischen Verdiensten um die Befreiung ganz Osteuropas aus der sowjetischen Dominanz. „Die spätere Freiheitsbewegung der 1980er-Jahre in Polen, die Vorbild war für viele andere und die letztlich zur Freiheit in Mittel- und Osteuropa, auch zur Freiheit in der östlichen Hälfte meines Landes geführt hat, auch diese Freiheitsbewegung war von diesem Geist der Unbeugsamkeit inspiriert“, dankte er Polen.
„Sich der Gewalt, sich der Barbarei nicht widerstandslos zu beugen, die Ungerechtigkeit und den täglichen Terror nicht widerstandslos zu ertragen, sich dem Besatzer entgegenzustellen, die Heimat, die Familie, die Freunde zu schützen, für all das steht der Warschauer Aufstand – als einmaliges geschichtliches Ereignis und gleichzeitig als bleibendes leuchtendes Zeichen“, nannte Steinmeier das bleibende Vermächtnis der Warschauer Freiheitskämpfer. Und bekannte die deutsche Schuld: „Wir dürfen und wir werden nicht vergessen, welch unermessliches Leid wir Deutschen über unser Nachbarland gebracht haben.“
Steinmeier betont polnische und deutsche Unterstützung für die Ukraine
Für die Zukunft, sagte Steinmeier, bleibe die Verpflichtung der beiden Staaten im Herzen Europas, Polens und Deutschlands, „miteinander und für unsere Freunde und Nachbarn solidarisch und friedensfördernd zu wirken“. Daraus, so der Bundespräsident, erwachse auch die gemeinsame Verpflichtung, das ukrainische Volk gegen den russischen Angriffskrieg zu verteidigen: Wir unterstützen seinen heldenhaften Kampf, und wir begleiten seinen Weg in die Europäische Union. Auch darauf verpflichtet uns der heutige Tag: Wir werden Unrecht und Unfreiheit, Angriff und Besatzung in Europa niemals wieder hinnehmen!“ (mit dpa)