„Wir sind keine Wahlpolizei“
Warum steht die Bundestagswahl erstmals unter Beobachtung der OSZE? George Tsereteli klärt auf.
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Deutschland. George Tsereteli ist Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der Georgier koordiniert die Wahlbeobachtermission während der Bundestagswahl und leitet eine Delegation von 50 Parlamentsabgeordneten aus 20 OSZE-Mitgliedsländern.
„Die Entscheidung, die Bundestagswahl in Deutschland zu beobachten, beruht auf einer offiziellen Einladung der Bundesregierung. Das ist die übliche Praxis in den OSZE-Ländern. Unsere Partnerorganisation, das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), hatte bereits kleine Expertengruppen zu den Wahlen von 2009 und 2013 nach Deutschland entsandt. Dies ist die erste umfassende Wahlbeobachtermission der OSZE in Deutschland.
Wahlbeobachtung ist kein Makel
In Ländern, in denen wir schon sehr oft im Einsatz waren, sind die Behörden mit den Abläufen der Wahlbeobachtung vertraut. Aber hier in Deutschland weiß nicht jeder, wer wir sind und was unsere Aufgabe ist. Wir müssen uns mehr Zeit nehmen, um uns und unsere Arbeit vorzustellen.
Manche Deutsche sind vielleicht irritiert, dass die Bundestagswahl unter Beobachtung der OSZE steht. Ich kann ihnen versichern, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Egal ob es sich um junge oder etablierte Demokratien handelt – jedes Land kann von internationalen Experten noch etwas über sein eigenes Wahlsystem lernen. Klar, Medien berichten vor allem dann über Wahlbeobachtung, wenn es Dramatisches zu vermelden gibt – zum Beispiel, wenn Wahlen als undemokratisch bewertet werden. Aber Wahlbeobachtung sollte nicht als Makel wahrgenommen werden. Wir wollen die Abläufe transparenter machen.
Für mich als Politiker ist es sehr interessant, einen tieferen Einblick in den politischen Alltag in Deutschland zu bekommen. In Vorbereitung auf die Bundestagswahl habe ich besonders aufmerksam alles verfolgt, was mit Cyber-Sicherheit und Migration zu tun hat oder internationale Auswirkungen hat.
Läuft alles fair, frei und korrekt?
Zur Vorbereitung haben wir uns gründlich mit dem deutschen Wahlsystem vertraut gemacht. Außerdem haben wir Politikexperten und Vertreter von Parteien, Wahlbehörden, Zivilgesellschaft und Medien getroffen. Im Vorfeld von Wahlen beobachten wir sehr genau die Stimmung und Bedingungen des Wahlkampfes: Können alle Parteien ungehindert ihre Kampagnen durchführen? Haben alle gerechten Zugang zu den Medien?
Unserem Einsatz am Wahltag gehen zwei Tage mit Vorbereitungsgesprächen in Berlin voraus. Dann wird sich unsere Delegation aufteilen. Einige bleiben in Berlin, die anderen reisen in verschiedene Regionen des Landes. In Zweierteams besuchen die Beobachter eine Reihe von Wahllokalen. Üblicherweise verbringen sie etwa eine halbe Stunde in einem Wahllokal. Jedes Team besucht bis zu 15 Wahllokale. Wir werden die Eröffnungsprozedur am Morgen beobachten, den Wahlverlauf über den Tag hinweg und die Schließung der Wahllokale am Abend.
Wichtig ist: Wir sind keine ‚Wahlpolizei‘. Wir erteilen weder Anweisungen noch Ratschläge. Wir beobachten lediglich und stellen den Wahlhelfern ein paar einfache Fragen. Unser besonderes Augenmerk gilt den entscheidenden Faktoren freier Wahlen: Können Wähler ihre Stimmen in geheimer Wahl abgeben? Werden die Ergebnisse ehrlich und akkurat dokumentiert?
Nach Schließung der Wahllokale melden alle Teams ihre Beobachtungen an die Einsatzzentrale. Am Tag nach der Bundestagswahl werden wir in einer Pressekonferenz über unsere Eindrücke berichten.“
Protokoll: Tanja Zech