Der „Montreal-Moment“ für Biodiversität
Deutschland setzt sich national und international für die Umsetzung des historischen Biodiversitätabkommens von Montreal ein.
Im Dezember 2022 gab es bei dem Weltnaturgipfel COP15 einen zuvor kaum erwarteten Durchbruch: Die Staatengemeinschaft verabschiedete bei der UN-Biodiversitätskonferenz im kanadischen Montreal ein ehrgeiziges Rahmenabkommen, das Land- und Meeresflächen und die Artenvielfalt schützen soll. Offiziell „Kungmin-Montreal Global Biodiversity Framework“ (GBF) genannt, bildet es wie das Paris-Abkommen für den Klimaschutz den Überbau für die Biodiversitätspolitik der nächsten Jahre. Das Fernziel: Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll die Welt wieder „im Einklang mit der Natur“ leben. Diese Vision ist unterlegt mit 23 zum Teil recht konkreten Zielen, die bis zum Jahr 2030 zu erfüllen sind. Deutschland setzt sich national und international für die Umsetzung ein, um den „Montreal-Moment“ mit Leben zu füllen.
Montreal-Abkommen stellt Land- und Meeresflächen unter Schutz
Die Vorgaben zum Schutz der Biodiversität sehen unter anderem vor, 30 Prozent der Erdoberfläche unter Naturschutz zu stellen. Das war ein Novum und bedeutet, dass sich die geschützten Flächen an Land nahezu verdoppeln und bei den Meeren fast vervierfachen müssen. Bis 2030 sollen 30 Prozent des als degradiert eingestuften Lands „wirksam wiederhergestellt“ sein. Dazu kommen Regelungen zu Pestiziden, invasiven Arten, dem Abbau von naturschädlichen Subventionen und das Versprechen, mehr Geld für Biodiversität bereitzustellen. 20 Milliarden bis 2025 und danach 30 Milliarden Dollar sollen jährlich in einen neuen Biodiversitätsfonds fließen.
Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke sprach nach der Einigung in Montreal von einem „starken Abkommen“, die Staatengemeinschaft habe sich entschieden, „das Artensterben endlich zu stoppen“. Im Bundesumweltministerium ist auch Monate später noch von einem "echten Meilenstein im Naturschutz" die Rede. Doch was ist seit Montreal geschehen?
Internationale und nationale Strategien für Biodiversität
Gegründet wurde inzwischen ein Biodiversitätsfonds, der Länder des globalen Südens dabei unterstützen soll, wirksameren Artenschutz zu betreiben. Das ist deshalb relevant, weil sich die größte Biodiversität auf der Welt dort befindet, wo es am wenigsten Geld gibt – etwa in der Amazonasregion, in Kenia oder Tansania.
Das Montreal-Abkommen sieht vor, dass die Einzelstaaten die Vorgaben in nationale Biodiversitätsstrategien überführen und Ziele in ihren Ländern umsetzen. Deutschland hat sich bereits 2007 eine solche Strategie geben. Im Jahr 2024 will die Bundesregierung eine überarbeitete Version verabschieden, die die Ziele von Montreal berücksichtigt.
Zur Unterstützung anderer Länder beim Erarbeiten ihrer nationalen Biodiversitätsstrategien hat Deutschland zusammen mit anderen Staaten eine Umsetzungsinitiative gestartet, die NBASP Accelerator Partnership. Dafür sagte die Bundesregierung insgesamt 29 Millionen Euro zu.
Deutschland gehört zu größten Geberländern für Biodiversität
Deutschland will insgesamt seine internationalen Ausgaben für Biodiversität steigern. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an, sie ab 2025 von jetzt rund 750 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Dazu gehören Gelder für große Naturschutzgebiete wie Gunung Leuser in Indonesien, Gonarezhou in Zimbabwe, aber zum Beispiel auch Mittel für den Schutz des brasilianischen Regenwaldes über einen sogenannten Amazonien-Fonds. Deutschland zählte schon in den vergangenen Jahren zu den weltweit größten Gebern für Biodiversität.
Trotzdem fehlen noch erhebliche Mittel, um allein die im Montreal-Abkommen vorgesehenen 20 Milliarden Dollar für den neuen Biodiversitätsfonds pro Jahr aufzubringen. Nach Berechnungen der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) lag die Summe für alle internationalen Biodiversitätszusagen zusammen im Jahr 2020 bei rund zehn Milliarden Dollar.
Beim Ausweisen zusätzlicher Naturschutzgebiete, einem Kernelement des Abkommens, ist ebenfalls noch viel zu tun. Sie sind wichtig, weil so Natur erhalten bleibt und einen wichtigen „Stresspuffer“ bilden kann, wie es Johan Rockström, Leiter des Potsdam Instituts für Klima-Folgenforschung, ausdrückt. Steht die Natur dagegen unter Druck, kann sie dieser Funktion nicht mehr nachkommen und auch die Erderwärmung durch das Binden von CO2 in Wäldern und Mooren bremsen. Deshalb sei es, so Rockström, von größter Bedeutung, so schnell wie möglich „natur-positiv“ zu werden.