Europas Jugend will mitreden
Migration und Asyl sowie Umwelt sind für Europas Jugend die wichtigsten Themen für das zukünftige EU-Parlament.
Europa liegt den jungen Menschen sehr am Herzen, aber sie wollen stärker mitreden. Vor allem bei den Themen, die ihnen besonders wichtig sind. "Die Generation Europa fordert mehr Gehör und mehr Mitsprache. Das ist die Botschaft unserer diesjährigen Jugendstudie an alle, die politische Verantwortung tragen" sagt Elke Hlawatschek, Geschäftsführerin der TUI Stiftung.
Trotzdem findet nur jeder zweite junge Europäer zwischen 16 und 26 Jahren die Europawahl wirklich wichtig und sogar nur einer von fünf Befragten fühlt sich vom EU-Parlament wirklich repräsentiert. Verwunderlich ist das nicht, liegt doch das Durchschnittsalter im EU-Parlament bei 56 Jahren, der jüngste Parlamentarier in Brüssel ist ein 30-jähriger Bulgare.
Auch wenn das Thema "Asyl und Migration" als das gegenwärtig wichtigste Problem in der EU genannt wird, bedeutet das nicht, dass offene Grenzen abgelehnt werden: 43 Prozent der Befragten, die Asyl und Migration als wichtigstes Problem nennen, betrachten offene Grenzen innerhalb der EU als Chance, nur 27 Prozent als Bedrohung. Die Freizügigkeit innerhalb der EU wird überwiegend positiv bewertet und steht für junge Menschen nicht zur Diskussion.
"Fridays for Future"-Bewegung sorgt für langsames Umdenken
Sehr wichtig ist für Europas Jugend auch der Umwelt- und Klimaschutz. Seit Monaten protestieren junge Menschen in der "Fridays for Future"-Bewegung. Sie demonstrieren gegen die Zerstörung der Umwelt, einen viel zu hohen Energieverbrauch, den steigenden CO2-Ausstoß im Verkehr und in der Massentierhaltung sowie die Verunreinigung von Böden, Luft und Grundwasser. Ihr Appell: Die Politiker müssen viel mehr unternehmen, um die Umwelt und das Klima zu schützen.
Das trifft auch den Nerv bei den älteren Menschen. In Deutschland sehen derzeit 81 Prozent der Bürger dringenden Handlungsbedarf beim Klimaschutz. 85 Prozent sind der Ansicht, dass der Klimawandel ohne Einschränkungen im Lebensstil nicht gestoppt werden kann. So das Ergebnis des aktuellen ARD-Deutschlandtrends.
Die tatsächliche Bereitschaft, die eigenen Konsumgewohnheiten für den Umweltschutz zu verändern, wächst allerdings nur langsam. Hier geht die Jugend voran. 28 Prozent der Befragten der TUI-Studie gaben an, im zurückliegenden Jahr auf bestimmte Produkte aus politischen oder ethischen Gründen verzichtet beziehungsweise sie gerade deswegen konsumiert zu haben. In Deutschland sagten das 33 Prozent.
Jungen Menschen fordern radikalere Veränderungen
Doch wie kann es gelingen, junge Menschen nicht nur am politischen Diskurs, sondern auch am politischen Prozess stärker zu beteiligen? Die politischen Parteien müssten modernere Strukturen schaffen, die es jungen Menschen leichter machen, einzutreten und mitzumachen, empfiehlt Marcus Spittler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): "Junge Erwachsene interessieren sich besonders stark für solche Parteien, die ihnen eine Art von Wandel oder eine Zukunftsvision anbieten: 67 Prozent glauben, dass es radikale Veränderungen braucht, um das politische System in Ordnung zu bringen."
Dieser Wunsch nach Wandel sei unter anderem ein Grund dafür, warum auch manchmal populistische Parteien für Jugendliche interessant sind. "Ein Kohleausstieg bis 2038 und freies WLAN in bayerischen Bussen bis 2050 ist dann einfach zu wenig Utopie", so Spittler. Zu denken müsste den Politikern auch geben, dass nur im Norden der EU eine Mehrheit der Befragten der Meinung ist, dass ihr Lebensstandard über dem ihrer Eltern liegen wird.
Wahlalter in der EU auf 16 heruntersetzen?
Bedenklich ist auch, dass nur etwas mehr als die Hälfte (58 Prozent) der jungen Menschen von der Demokratie als beste Staatsform überzeugt sind. Sehr niedrig fallen die Zustimmungswerte in Frankreich (38 Prozent), Italien und Polen (jeweils 46 Prozent) aus. Besonders stark ausgeprägt ist die Zustimmung zur Demokratie in Griechenland (73 Prozent), Deutschland und Schweden (jeweils 66 Prozent) sowie Dänemark (65 Prozent). Allerdings hält nur eine Minderheit (sechs Prozent) junger Menschen andere Staatsformen als die Demokratie für besser.
Rund 60 Prozent der für die Jugendstudie Befragten geben an, dass sie es mindestens für "wahrscheinlich" halten, dass sie ihre Stimme bei der Europawahl 2019 abgeben werden. In den meisten EU-Ländern sind junge Bürger ab 18 Jahren wahlberechtigt. Marcus Spittler vom WZB regt an, das Wahlalter in der EU grundsätzlich auf 16 Jahre zu senken, wie es bereits in Malta und Österreich der Fall ist.
Dadurch würden junge Erwachsene besser am politischen Prozess beteiligt werden können. "Tatsächlich hätte man mit dem Wahlalter 16 die Chance, den ersten Wahlgang noch stärker in den Schulen und in der Ausbildung zu begleiten, damit die Jugendlichen eine Art Wahlhabitus entwickeln."