„Aktivismus kann befreiend wirken“
Engagement gegen die Angst: Annika Rittmann ist 20 und kämpft bei Fridays for Future gegen den Klimawandel.
Frau Rittmann, Sie organisieren Großdemonstrationen gegen die Klimakrise. Was motiviert Sie?
Hauptsächlich das Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben. Wenn ich auf die Welt blicke, dann spüre ich vor allem zwei Dinge: Angst und Überforderung. Und das Gefühl, genau von den Menschen allein gelassen zu werden, die etwas an der Lage ändern könnten. Das treibt mich an, selbst aktiv zu werden.
Also würden Sie sagen, große Herausforderungen mobilisieren eher, als dass sie lähmen?
Die Frage ist, was man aus dem Überforderungsgefühl macht, das ich tatsächlich von vielen Vertreterinnen und Vertretern meiner Generation kenne. Eigentlich ist es ja für jemanden persönlich ganz angenehm, einfach so zu tun, als würde einen das ganze Chaos um einen herum nichts angehen. Wenn man sich das aber bewusst macht, dass es nur eine Art Augenverschließen ist, fällt es auch leichter, sich selbst zu engagieren. Aktivismus kann hier regelrecht befreiend wirken.
Klimaaktivismus gibt es schon lange in Deutschland. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede sehen Sie zu früher?
Also ich sehe vor allem die Unterschiede. Klar, die Klimakrise ist hier schon seit Jahrzehnten ein Thema. Aber früher konnte man sich noch relativ gut aus der Verantwortung ziehen. Das geht heute nur noch schwer. Die Menschen merken, dass die Klimakrise real und längst bei ihnen angekommen ist. Und wir Klimaaktivisten werden ernster genommen als früher und haben es geschafft, den Diskurs in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, an die Esstische der Familien.
Sie sind nicht nur im Klimaschutz engagiert, sondern auch aktive Fußballerin und Schiedsrichterin. Kann es klimagerechten Profisport geben?
Also klimaneutrale Großveranstaltungen sehe ich zumindest kurzfristig nicht. Das bedeutet aber nicht, dass es sinnvoll wäre, einfach damit aufzuhören. Solche Events sind ein wichtiger Teil unserer Kultur. Trotzdem ist es auch hier möglich, zum Beispiel Emissionen drastisch zu reduzieren und mit bestimmten Ländern und Konzernen nicht mehr zusammenzuarbeiten. Dann kann Profisport wiederum ein wichtiges Signal für Veränderung sein.
Klimaaktivismus ist international. Gibt es dennoch Dinge, die Deutschland von anderen Regionen weltweit unterscheidet?
Im Unterschied zu anderen Ländern hat man hier als junger, engagierter Mensch wirklich enorm viele Möglichkeiten. Es gibt ein Demonstrationsrecht, es herrscht Meinungsfreiheit, das ist an vielen anderen Orten der Welt nicht so. Gleichzeitig spüren wir als Aktivistinnen und Aktivisten auch eine enorme historische Verantwortung. Schließlich sind wir mit verantwortlich für die Folgen eine Krise, deren Hauptlast nicht wir, sondern andere tragen müssen. Das ist ein Ungleichgewicht, das wir immer wieder thematisieren müssen.
Annika Rittmann, Jahrgang 2002, ist Klimaaktivistin und Pressesprecherin von Fridays for Future. Außerdem studiert sie Mensch-Computer-Interaktion an der Universität Hamburg.
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