Bessere Luft für São Paulo
Mit „Klimapolis“ wollen deutsche und brasilianische Forscher das Klima ganz oben auf die Agenda städtischer Entscheider bringen.
Industriebetriebe, vom Verkehr verstopfte Straßen: eine Mischung, die in brasilianischen Metropolen für dicke Luft sorgt. Zwischen den hohen Gebäuden entweichen die Abgase und Schadstoffe kaum. Der Smog macht vielen Menschen zu schaffen, was wiederum zu Kosten im Gesundheitssystem führt. Trotzdem steht Klimaschutz oft nicht besonders weit oben auf der Agenda städtischer Entscheider. Das deutsch-brasilianische Forschungsprojekt „Klimapolis“ soll das ändern.
Was unterscheidet Klimapolis von anderen Ansätzen zum Klimaschutz?
Klimapolis beschäftigt sich nicht nur mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Den Forscherinnen und Forschern geht es vor allem darum, die lokalpolitische Bedeutung von Klimaschutz zu betonen. Dafür suchen sie den Dialog mit Politik, Industrie und Bevölkerung – Start des Projekts ist in São Paulo.
Wer macht mit?
Beteiligt sind auf deutscher Seite unter anderem das Max-Planck-Institut für Meteorologie und die Uni Hamburg, auf brasilianischer Seite etwa das Nationale Institut für Weltraumforschung und die Universität São Paulo. Die Wissenschaftler arbeiten dabei über Fächergrenzen hinweg: Das Team besteht aus Expertinnen und Experten der Bereiche Atmosphärenchemie, Klimawissenschaft, Stadtplanung, Sozialwissenschaft und weiteren. Das auf fünf Jahre angelegte Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Spüren die brasilianischen Metropolen den Klimawandel bereits?
Städte wie São Paulo haben immense Probleme, die bereits Folgen des Klimawandels sein könnten. Immer häufiger gibt es Starkregen, den die Stadt nicht bewältigen kann. Flüsse treten schnell über die Ufer und richten große Schäden an. Regelmäßig stehen ganze Straßenzüge unter Wasser. Besonders betroffen sind die informellen Siedlungen in Hanglage – viele Stadtteile sind so gebaut, dass der Grund mitsamt den provisorischen Häusern leicht abrutscht, oft mit tödlichen Folgen. Das Meer spült an den Küsten den Boden weg, und die Luftqualität in der Stadt ist besorgniserregend.
Wie kann eine Stadt sich gegen die Folgen des Klimawandels wappnen?
„Die brasilianischen Metropolen entwickeln sich meist ungeplant,“ sagt Judith Hoelzemann, die Deutsche lehrt als Professorin in der Abteilung für Atmosphären- und Klimawissenschaften der Bundesuniversität Rio Grande do Norte. Der öffentliche Nahverkehr sei nicht ausgebaut, weshalb immer mehr Autos unterwegs sind. Siedlungen entstehen ohne Genehmigung, der Asphalt speichert die zunehmende Hitze. „Mit stadtplanerischen Methoden versuchen wir, die Verletzlichkeit gegenüber Wetterereignissen zu reduzieren,“ sagt Hoelzemann. Unter anderem erstellen die Forscher eine Karte, die die anfälligsten Gebiete zeigt. Damit kann die Stadt bewusst etwas unternehmen, zum Beispiel Grünflächen anlegen, die Industrie gezielter ansiedeln oder Hochhäuser so bauen, dass sie den Wind nicht blockieren.
Wie finden Wissenschaftler und Behörden dabei zueinander?
Lokale Entscheider aus Wirtschaft, Verkehr, Umwelt und Gesundheit handeln bislang oft getrennt voneinander. Dem Forschungsteam ist es wichtig, sie zusammenzubringen. „Wir möchten unsere Erkenntnisse so aufbereiten, dass sie für die Lokalregierung relevant sind,“ sagt Anita Engels, Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg. „Wir stellen uns also die Frage: Wie können wir Information so zuschneiden, dass die Stadtverwaltung einen konkreten Nutzen davon hat? Das Herunterbrechen der Forschung in eine Sprache, die lokale Politiker sprechen, ist essenziell für den Aufbau eines Klimaschutz-Netzwerks vor Ort.“
Wie arbeiten brasilianische und deutsche Forscher zusammen?
Die Forscherinnen und Forscher haben sich zunächst gegenseitig verschiedene Methoden vorgestellt, mit denen sie bereits arbeiten – so konnten Stärken gebündelt und neue Ideen entwickelt werden. Zudem bauen sie gemeinsam ein Laboratorium auf: ein virtuelles Institut an der Universität São Paulo. Das Labor soll langfristig Zentrum einer Community sein, die den Umwelt- und Klimaschutz als gemeinsames Ziel in der Lokalpolitik etabliert – und dabei aktuelle Forschungserkenntnisse aufgreift.